Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

KRAMER, Hans: Fürstbischof Dr. Cölestin Endrici von Trient während des ersten Weltkrieges. Nach neu gefundenen Akten

Fürstbischof Dr. Cölestin Endrici von Trient 487 Seine soziale und karitative Tätigkeit war beträchtlich3). Man kann eventuell auch seine rege Arbeit für den Partito Popolare, also für die christlichsoziale Partei im Trentino anerkennen, obwohl der Teil der Führer des Partito Popolare — Kleriker und Laien —, der mit dem Irre- dentismus liebäugelte, an Endrici immer mehr Rückhalt fand. Dieser hat sich also als Christlichsozialer von Beginn an vom größtenteils noch konservativ gesinnten Episkopat Österreichs distanziert und hat — ver­geblich — einer Fusion von Konservativen und Christlichsozialen das Wort geredet (z. B. im Jahre 1911) 4). Es sei vollkommen zugegeben, daß sich Endrici in manchen Aktionen ordnungsgemäß an die Seite der übri­gen österreichischen Bischöfe gestellt hat. Der Fürstbischof war aller­dings durch die Zeit seines Lebens ein Feind des Planes der Abtretung der zehn deutschen Dekanate von der Diözese Trient (bis Klausen und bis in den Vintschgau hinein), was nationalpolitisch für die deutschen Südtiroler so wertvoll gewesen wäre5). Andererseits geriet Endrici immer mehr in den Nationalitäten­streit hinein. Ich betone, daß der Bischof zur Zeit seiner Thronbestei­gung (1904) weit mehr der Kandidat der Trientiner Austriacanti und daß in den ersten Jahren seiner Regierung wenig Grund zur Klage vor­3) Es wurden Berichte aus folgenden Zeitungen und Zeitschriften verwendet: Trienter Diözesanblatt, deutsche und italienische Ausgabe. Tiroler Bote. Tiroler Stimmen. Tiroler Anzeiger. Innsbrucker Nachrichten (alle Innsbruck). Volks­bote. Dolomiten (alle in Bozen). Brixner Chronik. Vaterland. Der Fremdenver­kehr (alle in Wien). Über die Regierungszeit Endricis vor 1914 und überhaupt weiteres allgemeines über seine Persönlichkeit: Max Hildebert Böhm, Krise und Ausklang, in Karl Gottfried Hugelmann, Das Nationalitätenrecht des alten Österreich, Wien-Leipzig 1934, S. 751. Anton Bundsmann, Die Landeschefs von Tirol u. Vorarlberg in der Zeit von 1815 bis 1913, Schlern-Schriften 117. Bd., Innsbruck 1954, S. 182 ff. Josef Burger: Die Irredenta (Von einem Tiroler), Bozen 1912, S. 71 ff. Kurt Huber, Der italien. Irredentismus gegen die Schweiz 1870—1925, Diss. Zürich, Seengen 1953, S. 49. Wilhelm Rohmeder, Das Deutschtum in Südtirol, München 1932, S. 173, 175. Edith Gräfin S a 1 b u r g, Erinnerungen einer Respektlosen, 2. Bd., Leipzig 1928, S. 124 ff. Jubiläumsschrift Per il XXV“ anno di episcopato di S. A. Rev. Mons. Celestino Endrici, Trient 1929. Ein Beamter, der früher in der Trienter Bezirkshauptmannschaft diente und sich in der jüngsten Geschichte Trients gut auskennt, sagte mir, daß Endrici ursprünglich der Kandidat der Austriacanti war (1904). Gerade weil Endrici von diesem Lager kam und wußte, daß die Austriacanti nach altösterreichi­scher Art ihm nie sehr wehe tun würden, suchte er den Anschluß und neue Freunde im anderen Lager, bei den Irredentisten und den italianissimi, die poli­tisch reger und in den Städten in der Mehrheit waren. So trachtete er nach der Ansicht dieses Beamten, „Wasser auf beiden Schultern“ zu tragen. Der An­schluß an das andere Lager ist Endrici vollständig gelungen. 4) Über den Partito Popolare im Trentino vor 1914 vgl. meinen Aufsatz in der Michael-Gamper-Festschrift in den Schlern-Schriften, 140. Bd. (Südtirol, Land europäischer Bewährung, hgb. v. Franz H. Riedl), Innsbruck 1955, S. 157 ff. 5) Paul H e r r e, Die Südtiroler Frage, München 1927, S. 46. Böhm a. a. O., S. 751.

Next

/
Thumbnails
Contents