Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

CORETH, Anna: Unbekannte Briefe P. Marco d'Avianos an P. Gabriel Pontifeser aus Klausen (1690–1697)

24 Anna Coreth besonders plastisch tritt aber die Gestalt des Briefschreibers selbst hervor, der immer wieder aus dem Kloster berufen wurde, um in der Welt zu wirken, zu raten, zu helfen, obwohl — oder weil — er geistig dieser Welt so gar nicht angehörte. Und doch, sollte dieses Wirken des Mönches in der Welt illusorisch sein? Diese Frage drängt sich immer wieder dem alternden Manne auf. Wir werden davon hören. Die Briefe haben oft irgendeinen Anlaß, etwa die Mitteilung der Krank­heit oder des Todes der Königinmutter in Spanien u. a. Man gewinnt aber den Eindruck, daß die Anlässe gerne benützt wurden, um den Briefwechsel weiterzuspinnen, und zwar anscheinend von beiden Seiten her. Gabriel Pontifeser lag es an dem Kontakt mit dem großen Ordensgenossen, den er immer wieder um sein Gebet für Nachkommenschaft der Königin anflehte, und Marcus unterstützte gern den fernen, ihm als religiös außerordentlich strebsam bekannten Mönch, dessen Probleme er selbst wohl gut kannte. Die Bearbeitung der im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien unter den Schriften des Nachlasses P. Gabriels aufbewahrten 29 Originalbriefe2), die fast durchwegs eigenhändig von Marco d’Aviano geschrieben sind — die Gegenbriefe sind offenbar nicht mehr erhalten -—, ist vor allem als Er­gänzung zu dem Bemühen von Maria Heyret, den ganzen Briefwechsel des letzteren zu erfassen, gedacht. Wir finden P. Gabriel8) also anfangs am Hofe von Pfalz-Neuburg, wo er seit 1685 beim Kurfürsten Philipp Wilhelm eine Vertrauensstellung innehatte, sowohl als Begleiter und Assistent des Leibarztes P. Emerich Becker von Wesel aus dem Kapuzinerorden, wie auch als Prediger und Seelsorger. Er hatte in der noch weitgehend protestantischen Kurpfalz große Erfolge als Missionär. Nach dem Tode P. Emerichs und des Kur­fürsten (1690) blieb er noch zwei Jahre bei dessen Witwe Elisabeth Amalia Magdalena. Die Kurfürstenfamilie von Pfalz-Neuburg * 4 * * *) — mit der auch P. Marco 2) Habsburg.-lothr. Familienarchiv Familienkorrespondenz, A. Kart. 50. 8) Geb. 1653, f 2. Dezember 1706. Über ihn am besten P. Agapit Hohen- egger, Geschichte der Tiroler Kapuziner-Ordensprovinz (1593—1893), 1. Bd., Innsbruck 1913, S. 715 ff. — Bonaventura von Mehr, Das Predigtwesen in der kölnischen und rheinischen Kapuzinerprovinz, Rom 1945, S. 241, 281, 455. — Ephrem v. Mühlbach, Gabriel Pontifeser und der Schatz zu Klausen, Innsbruck 1844. ■—- Lexikon Capuccinum, Rom 1951, Sp. 652 f. (dort die ältere Literatur). 4) Zum Folgenden vor allem Prinz Adalbert von Bayern, Das Ende der Habsburger in Spanien, Bd. 1 und 2, München 1929. — Heinrich von Srbik, Wien und Versailles 1692—97. Zur Geschichte von Straßburg, Elsaß und Loth­ringen, München 1944. — Karl Mayr, Pfalz-Neuburg und das Königreich Neapel im 17. und 18. Jahrhundert, München 1939. — Karl Theodor Heigel, Maria Anna von Neuburg, Königin von Spanien, Quellen und Abhandlungen zur neueren Geschichte Bayerns. N. Fge. München 1890, S. 182—204. — Oswald Redlich, Geschichte Österreichs, Bd. VI, Gotha 1921. — Hugo Hantsch, Die Geschichte Österreichs, 2. Bd., Graz-Wien 1950, 1953. -— Kurt von Raumer, Die

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