Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WALTER, Friedrich: Metternich und Gervay. Ein Briefwechsel

Metternich und Gervay 225 begierig, leiteten, haben über Nacht ihren Sinn oder im mindesten ihre Sprache geändert. Vor kurzem war Gr. Choteck der Götze und sie waren dessen Priester, heute werfen sie ihn zum Tempel hinaus. Gr. Kolowrat ist der Vertretter dieser sich wiedersprechenden Aufwallungen, welche mich zu dem Ausspruche führen: .dass Böhmen weder im Lande noch im Centro regirt wird; dass die gesetzlichen Behörden den Weg des Schlen­drians gehen, während das junge Böhmen das Feld moralisch occupirt*. Was aus einem solchen Verhältnisse ergehen wird, steht im Buche der Geschichte geschrieben! In die Diplomatie kann Gr. Choteck in keinem Falle übertretten und diess nicht, weil ihm hierzu alle Eigen­schaften fehlen. Er besitzt keinen Tackt und derselbe ist ein uner­lässliches Element für diese Carriere. Er steht beinebst im Range und in den Auszeichnungen zu hoch, um eine untergeordnete Mission zu übernehmen, und eine wichtige kann man ihm nicht anvertrauen. Am Ende ist auch der Nachtheil zu gross, wenn die ohnedem und ihrer Natur gemäss in Aussichten so beschränkte Carriere den Anschein einer Ver­sorgungsanstalt für lahme und blinde Administratoren annehmen sollte! Solche Individuen sind dem Auslande nicht gut als die Vertretter und die Repräsentanten unserer Monarchie vorzuführen! Wie mit Böhmen steht es im gesteigerten Maase mit Ungarn und Siebenbürgen; nirgends sind Männer, mit moralischer Kraft ausgerüstet, zu finden! Sie haben dem Gr. Haller 2) einen guten Rath gegeben, und er stimmt vollkommen mit dem überein, was ich ihm bereits selbst gesagt habe. Zwischen dem Rath und der Ausführung ist aber eine Kluft. Die letztere wird lahm gehen, weil in der hohen Region Unthätigkeit herrscht und die ungarischen Behörden vor der aura popularis kriechen. Ich schicke Ihnen einige Berichte, welche ich Sie bitte dem Kaiser und dem H. Erzh. zu unterlegen.“ XL. G. an 18. VII. 1843: Metternich hatte in einem Briefe an Gervay den Wunsch ausgesprochen, daß gewissen Ansinnen des päpstlichen Stuhles schnell entsprochen werden möge. Staatsrat Jüsteli), den Gervay über Weisung Eh. Ludwigs in dieser Sache anging, sagte ihm aber, daß die „bezeichneten Gegenstände, nämlich a) Bruderschaften, b) Correspondenz der Bischöfe mit Rom, c) Verbindung hierländiger Orden mit ihren Generalen in Rom, noch bei der ver. Hofkanzlei sich befinden; und zwar der sub a) seit 1832, die sub b) u. c) seit 1842“. Jüstel werde, wenn der Staatskanzler dies wünsche, die Verhandlungen betrei­ben. — „Über die Euere Durchlaucht betreffende Angelegenheit, welche Hoch- dieselben mit gnädigem Vertrauen meiner Beförderung zu übertragen fanden, habe ich zu referiren, daß der gnädige Erzh. Ludwig ganz bestimmt gesonnen ist, die Sache so austragen zu lassen, daß weder Capital noch Inter­essen von Euerer Durchlaucht verlangt werden. Ich habe mir erlaubt, dem gnädigsten Herrn einige der wichtigsten Gründe, mich beruffend selbst auf die mehr als wahrscheinliche Intention des höchstseligen Kaisers, an XL. i) Siehe VII. i). Mitteilungen, Band 9 15

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