Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WALTER, Friedrich: Metternich und Gervay. Ein Briefwechsel

224 Friedrich Walter eindringen mußte, weil seine Umgebungen jeden, der mit ihm sprechen will, abwehren; er habe ihn physisch und moralisch so gedrückt gefunden, daß er überzeugt sey, der Mann wird entweder gar Nichts mehr leisten oder er werde eine lange Zeit brauchen, um dienstfähig zu werden; sein Gefühl sage ihm aber das Erstere.“ Gervay habe ihm erwidert, „er möge bei den bestehenden Verhält­nissen Sr. kais. Hoheit dem Herrn Erzherzoge Ludwig andeuten, was nach seinem Wunsche oder seinen Ansichten geschehen soll ? Dieß würde der Erz­herzog zum Gegenstände einer ernsten Deliberation machen. Graf Haller erwie- derte mir, unberuffen Rath zu geben, sey nicht seine Sache, man könnte es für anmaßend halten. Diese mir etwas befremdende Äußerung zwang mich zu der Erwiederung, daß wohl niemand mehr als der Banus beruffen und . . . ver­pflichtet sey, das, was dem Lande, dessen Leitung ihm anvertraut ist, Noth thut, vorzuschlagen und dieß ... toties quoties“. Graf Haller habe sich daraufhin doch entschlossen, seine Sorgen dem Eh. Ludwig vorzutragen. Gervay fügt bey: „Ich hatte mir schon öfters erlaubt, Euerer Durchlaucht zu bemerken, daß über Ungarn ein eigener Unglücksstern waltet, der die das Land leitende Organe so unthätig, so furchtsam u. hie u. da der Wahl so fehlgegriffen macht.“ — Wirkner 4) hat Gervay erzählt, „der Kanzler werde, wenn nicht bald, so doch ganz zuverlässig mit Ende dieses Landtages ausspannen. Auch sinke im Lande sein Credit von Tag zu Tag mehr“. Im Verlaufe des den Vorgängen in Preß- burg zugewendeten Gespräches forderte Gervay Wirkner auf, „er möge schrift­lich eine Punctation . .. einsenden, was nach seiner Meinung zu thun wäre, um wenigstens zu etwas Gedeihlichem bei diesem Landtag zu gelangen“, was Wirkner zusagte. M. an G., Ischl, 19. VII. 1843: „Die verschiedenen Gegenstände, welche dieser Bericht berührt, laufen auf ein und dasselbe Übel — auf die Unthätigkeit der Regierungs­organe, dort wo ihre Thätigkeit sehr nöthig wäre, hinaus! In Betreff des Gr. Chotek 4) werde ich die Mittheilung des Gr. Kolo- wrat materiel in Ruhe und moralisch bewegt erwarten! In der hochwichtigen Sache liegen viele Wiedersprüche. Vor vielen Monaten habe ich bereits das Reg.-Centrum auf die Nothwendigkeit aufmerksam gemacht, dass für die oberste leitende Stelle in Böhmen Fürsorge getra­gen werden möchte. Hierauf hat man mir geantwortet — ,Graf Choteck seye ja da, und man müsse ihm seinen vorübergehenden Kummer mit Geduld nachsehen'. Mein Gefühl war, dass Gr. Choteck nicht da seye! Nun meldet sich derselbe; ich frage mich um die Lage an; nun giebt man den Gr. Choteck vollkommen auf! Welches ist der Grund dieser Verschiedenheit in den Ansichten? Hat sich irgend etwas in der moralischen und physischen Stellung des Gr. Choteck ver­ändert? Mein Gewissen spricht sich für ein unbedingtes Nein aus. Graf Choteck i s t, was er war, und er war, was er ist! Das, was sich änderte, ist der Humor einiger Prager Herren — (des jungen Böh­mens); dieselben Herren, welche vor wenigen Monaten dem Gr. Choteck ein Geschenk auf dem Wege der Subscription machen wollten und welche ihn in die Fehltritte, welche derselbe im Verlaufe der letzten Jahre 4) Siehe XXIX. 3).

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