Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WALTER, Friedrich: Metternich und Gervay. Ein Briefwechsel

206 Friedrich Walter M. an G„ Johannisberg, 19. IX. 1842: „Ich hatte bereits vor meiner Abreisse v. Wien mit S. k. H. über das leidige Verhältnis des Pr. v. Wasax) gesprochen. Mit den von Höchst- demselben gefällten Aussprüchen bin ich vollkommen einverstanden und behalte mir vor, nach meiner Rückkehr meine Ansichten über das, was zu thun bleibt, auszusprechen, denn sonst laufen wir die Gefahr, tief in die Sache hineingeritten zu werden. Der Prinz gehört zu den höchst beschränkten Menschen und er ist wirklich unfähig, seine Privat-Geschäfte zu führen. Welche Vorkehr(ung) wird hier zu treffen sein? Diess nehme ich mir vor aufrichtig zu beleuchten.“ XVI. G. an M., 14. IX. 1842: StR. v. Jüstel i) ist mit dem ihm zur Prüfung vorgelegten Brief Metter­nichs an den Grafen Esterházy 2) (in dessen Ehesache) vollkommen einverstan­den gewesen, daher Gervay dieses Stück hat ablaufen lassen. Gervay glaubt aber, auf eine Stelle in dem von Esterházy an Metternich gerichteten Brief noch besonders hinweisen zu sollen — Esterházy schreibt hier: „Doch gebiethet mir zu gleicher Zeit die Vorsicht, auch auf einen für mich ungünstigen (Ausgang) gefaßt zu seyn, und in diesem Fall würde mir Nichts anderes erübrigen, als zu einer anderen Religion überzutreten“. Gervay bezeichnet nun einen solchen Schritt als einen „Transitus temerarius“ und wirft die Frage auf, ob ein solcher ge­duldet werden könne und welche Folgen er nach sich ziehen müsse. — Die Kai­serin holte bei Gervay neuerlich in huldvollster Weise Erkundigung über das Befinden des Fürsten und der Fürstin ein. — Graf Kolowrat sagte zu Gervay, „er hätte Briefe aus Prag erhalten, welche Grafen Choteks 3) Benehmen u. Aeusserungen wie die eines Halbwahnsinnigen schildern. Diess ist“, so fügte Kolowrat bei, „um so beklagenswerther, als zu einer Zeit wie die gegenwärtige, wo dem Lande eine einbrechende Hungersnoth droht, ein Chef bei vollen Sinnen mehr als genug zu thun haben würde. Zudem ist der Vicepräsident Bar. Pro­haska 4) ein Greis u. eben sehr gefährlich erkrankt. Bei solchen Verhältnissen sey die Stimmung in diesem wichtigen Lande höchst ungünstig.“ M. an G., Johannisberg, 19. IX. 1842: „Das Esterhazische Verhältniss2) gehört zu den absurdesten, und wäre E. nicht ein seichter, confuser Kopf, so würde man dasselbe als verbrecherisch bezeichnen müssen. Ich bitte Sie, strenge juridische Gutachten über das einzuziehen, welches die gesetz­lichen Folgen des Schrittes für den Gr. E. sein würden oder sein könnten, wenn er sich am Ende zu dem Religionswechsel entschliessen sollte?Dass derselbe das Gepräge des Transitus temerarius tragen würde, ist ohne Zweifel richtig. Welche Folgen hat aber solcher Transitus nach hungarischem Rechte? Diess ist die Frage, über welche ich in tempore utili helle sehen möchte.“ * 2 3 XVI. i) Siehe VII. i). 2) Siehe VII. 2). 3) Siehe IX. s). 4) Joseph Freih. v. Prochaska, Vizepräsident des Prager Guberniums.

Next

/
Thumbnails
Contents