Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

WALTER, Friedrich: Metternich und Gervay. Ein Briefwechsel

192 Friedrich Walter würde 21). Auch Erzherzog Ludwig findet „die Sache sehr gefährlich“ und Erzherzog Franz gar „rein absurd“ und beide erklären Metternich, so entscheiden zu wollen, wie er stimmen werde22). Aber dem Fürsten fehlt es an „Civilcourage“: er weicht aus, er betrachtet die Ernennung Erzherzog Stephans bereits als res judicata und „wünscht das Übel, das er nicht zu verhindern vermöge, wenigstens durch die noch in den Händen der Regierung liegende möglichste Regelung der Stellung in Schranken zu führen“ ! 23) Fast möchte es scheinen, als wäre Kolowrat mutiger gewesen. Er spricht sich nicht nur Gervay gegenüber „etwas gereitzt über die enor­men Summen aus, die 1842 die Finanzen dem Hofstaate anwiesen: wäh­rend einige Provinzen mit Hungersnoth bedroht seien, würden bei Hof tausende und tausende vergeudet“; er ließ auch dem Erzherzog Ludwig Vorstellungen machen und versuchte — übrigens ohne Erfolg —, durch ihn Einschränkungen bei Hoffestlichkeiten zu erreichen 24). Doch man lasse sich nicht täuschen, es ist nicht die Unerschrockenheit des Ver­fechters der Interessen des Staates und der Allgemeinheit, die aus dem Grafen spricht, es ist schon eher ein Ausfluß seiner kleinlichen Gallig­keit, die ihn solche Kritik an Mißständen üben läßt, die der großzügige Grandseigneur, der Fürst Metternich bei aller Wirtschaftlichkeit als Gutsherr und Industrieller 25) doch immer war, einfach übersah. Dieser Wesensgegensatz zwischen den beiden Männern kommt nicht zuletzt auch in Schrift und Stil dieser Briefe zum Ausdruck: mit einer groß­artigen Lässigkeit und in zügigem Duktus wirft Metternich seine Ge­danken aufs Papier, während Kolowrats zitterige Hand immer korrekt den Zeilenabstand und die Randbreite einhält, und wo der Fürst fast lärmend spaßt, bringt es Graf Kolowrat nur zu einem säuerlichen Lächeln. Dazu stimmt übrigens auch die Art, in der die beiden Minister dem enge vertrauten Hofrat Gervay gegenübertreten: der eine mit der jovialen Gebärde des großen Herrn, der andere mit distanzierender Höf­lichkeit. Metternich scheut auch nicht ein offenes Wort über seinen Ministerkollegen, der ihm in den zwanzig Jahren gemeinsamer Arbeit das Leben wahrhaft nicht leicht gemacht hat, wird aber doch nicht gehässig: „Graf Kolowrat denkt nicht tief und sieht nicht in die Ferne. Für ihn sind die Sachen, wie man sie ihm zeigt, und hiermit ist er seelenvergnügt“; und die Unentschiedenheit, die oft auch aus den Voten des Grafen heraustritt, macht dem Fürsten den Eindruck, „den laues Wasser auf den Thee macht: es zieht das Aroma nicht aus selbem“ 26). 21) XLVI. 22) Ebendort. 23) XLVI. 24) XVII. 25) I. 28) LXXIII.

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