Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)
WALTER, Friedrich: Metternich und Gervay. Ein Briefwechsel
Metternich und Gervay. Ein Briefwechsel. Von Friedrich Walter (Wien) *). Einleitung. 1842 und 1843 verließ Fürst Metternich wie ja immer in Jahren, die der Politik sommerliche Ferien gönnten, in den heißesten Monaten die ja kaum je geliebte und zu dieser Zeit immer gewiß unleidliche Stadt, um in ländlicher Frische und reiner Luft Erholung von den Mühen des Jahres zu suchen und neue Kraft zu gewinnen, die ihm, dem nun schon Siebzigjährigen, das Tragen seiner zunehmend schwerer werdenden Bürde erleichtern sollte. 1842 hatte der Staatskanzler seinen Urlaub erst für Anfang August festgesetzt, weil er von seinen böhmischen Gütern an den Rhein zu reisen gedachte: er hatte Österreich bei der Kölner Domfeier, bei der Grundsteinlegung für den Ausbau der unfertigen Kathedrale zu vertreten, die am 4. September stattfinden sollte, und wollte im Anschluß daran mit Friedrich Wilhelm IV. in oder bei Koblenz Fragen der deutschen Politik erörtern. Doch wie sonst war es auch in diesen Jahren nur eine Flucht aus der Enge der hitzebrütenden Stadt, ein „Sich-erheben aus dem Acktenstaub“, aber kein Horazisches „procul negotiis“ — ein wohleingerichteter Kurierdienst brachte die diplomatische Post und die wichtigsten innenpolitischen Geschäftsstücke um höchsten zwei Tage später als in Wien auf den Schreibtisch des Fürsten, ob dieser nun auf einer seiner Herrschaften weilte oder in einem Badeorte die Kur gebrauchte. Überdies erhielt der Kanzler von dem ihm außerordentlich ergebenen Hofrat und Protokollführer der Staatskonferenz Josef Sebastian Freiherrn v. Gervay* 1), der übrigens auch zu Metternichs Gegenspieler Kolowrat in einem guten Verhältnis stand und das volle Vertrauen Erzherzog Ludwigs, des Hauptes der Staatskonferenz, genoß, täglich einen umfassenden Bericht über aller Vor- fallenheiten seines engeren und weiteren Geschäftsbereiches. Gervay *) Der Leitung und den Beamten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs sei herzlich gedankt für ihre stets bereite Unterstützung, im besonderen Herrn Walter Pillich für mühevolle Nachforschungen und Frau Dr. E. Kotasek für häufige bibliothekarische Hilfe. i) Gestorben 1846. — Vgl. über ihn „Gesamtinventar des Haus-, Hof- und Staatsarchivs“, I. Bd., S. 192. — Korrespondenzen Mettemich-Gervay aus anderen Jahren finden sich zerstreut in den Korrespondenz-Faszikeln der Staatskanzlei des Haus-, Hof- und Staatsarchivs.