Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

BENNA, Anna Hedwig: Das Kaisertum Österreich und die römische Liturgie

120 Anna Hedwig Benna Christenheit, die nur ein oberstes weltliches Haupt haben kann7). Erst unter Karl VII. und dessen Nachfolger erfolgte die Anerkennung des Kaisertitels der Zarin Elisabeth8). Allerdings nahm der Römische Kaiser bei Verträgen noch immer den ersten Platz ein. Die vom Zaren beanspruchte Alternative mit dem Römischen Kaiser wurde von Frankreich, das dem Römischen Kaiser den Vorrang vor allen Herrschern einräumte, nicht ge­währt9). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war diese Auffassung von der Einzigartigkeit des Römischen Kaisertums noch lebendig, sie ver­schwand erst mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches. Die Krone des Heiligen Römischen Reiches war seit dem Spätmittel­alter beinahe ununterbrochen beim Haus Österreich geblieben, es folgte in der Regel der Sohn auf den Vater. Selbst nach der kurzen Regierung des Wittelsbacherkaisers Karls VII.10). kehrte sie wieder zum Haus Österreich zurück. Maria Theresia hatte zwar bald nach dem Tode Karls VI. ihren Gatten zum Mitregenten angenommen und so einen landlosen Prinzen zum Herren einer europäischen Großmacht erhoben11). Aber weder die Mit­regentschaft in den österreichischen Erblanden noch die Übertragung der Ausübung der böhmischen Kur12) ließen den Gemahl der Königin von Un­garn in den Augen der Kurfürsten für geeignet erscheinen. Erst nach dem Tode Karls VII. erlangte Franz Stefan die Kaiserwürde. Das Haus Öster­reich verdankte seine Stellung in Europa sowohl der Herrschaft über seine Erblande als auch der Tatsache, daß die Kaiserkrone seit dem Spätmittel­alter nicht mehr von ihm gewichen war; ihr Besitz erschien dem Haus Österreich auch noch im 18. Jahrhundert erstrebenswert13). Es war aber nicht nur der dauernde Besitz der Kaiserwürde, der dem Haus Österreich die europäische Stellung verschaffte, sondern auch die Herrschaft über Königreiche und Länder, die teils Glieder des Heiligen Römischen Reiches waren, teils außerhalb des Reichsverbandes standen, welche die zur Durch­setzung der aus der Kaiserwürde erfließenden Ansprüche notwendigen Grundlagen lieferten. 7) Vortrag des Reichsvizekanzlers Colloredo, 1804 Juni 3 (R. K. Zeremonial- akten, Fz. 11b, Frankreich, Varia, Fz. 71). 8) Ebenda. °) Ohnmassgeblichstes dafürhalten des hof- und Staatskanzlers fürsten von Kaunitz in betref der ceremonialanstände, den 19. may 1767 (St. K. Interiora, Fz. 17). 10) Zum Kaisertum Karls VII., vgl. F. Wagner, Kaiser Karl VII. und die großen Mächte 1740—1745 (1938). 11) Vgl. F. v. R e i n ö h 1, Die Übertragung der Mitregentschaft durch Maria Theresia an Großherzog Franz Stefan und Kaiser Josef II., MÖIG, Erg.-Bd. 11 (1929), S. 650 f. 12) Ebenda. 13) Vgl. H. v. V o 11 e 1 i n i, Eine Denkschrift des Grafen Johann Anton von Pergen über die Bedeutung der römischen Kaiserkrone für das Haus Öster­reich (Festg. f. H. v. Srbik 1938), S. 152—168.

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