Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

BENNA, Anna Hedwig: Das Kaisertum Österreich und die römische Liturgie

Das Kaisertum Österreich und die römische Liturgie 121 Die Gesamtheit der Königreiche und Länder wurde kraft der Prag­matischen Sanktion ungeteilt und ungetrennt im Hause Österreich weiter­vererbt und war auf dem besten Wege, ein moderner Staat mit funktio­nierendem Staatsapparat14) zu werden, wobei sich allerdings der spätere Dualismus der beiden Reichshälften im 19. Jahrhundert schon abzuzeichnen begann. Maria Theresia setzte damit das Werk ihrer Vorgänger, die sieh um eine dauernde Verbindung und Einheit der verschiedenen Erbstaaten bemühten, fort15). Gleichzeitig mit dem Aufbau eines zentralen Verwaltungsapparates suchte Maria Theresia ihrer Monarchie die Stellung im Konzert der europäischen Mächte zu erhalten, die sie als Hauslande des Kaisers bisher einnahmen. Dieses Ziel verfolgte sie auch dann noch, als sie längst Kaiserin geworden war. Als Königin von Ungarn war sie bestrebt, in dieser Eigen­schaft in Rang und Etikette gleichberechtigt mit den westeuropäischen Königreichen Frankreich, England und Spanien aufzutreten. Nur so ist es zu erklären, daß Maria Theresia anläßlich des Konklaves von 1758 neben dem kaiserlichen einen eigenen königlichen Wahlbotschafter entsenden wollte16), um nach dem Beispiel des Kaisers und des Königs von Frankreich den Schutz anzubieten17). Bei eingehender Prüfung der Sachlage, die er­gab, daß bisher nur Wahlbotschafter des Kaisers und des Königs von Frankreich, nicht aber anderer europäischer Mächte üblich waren, daß die Kaiser als Herren der Erblande ein derartiges Recht nie ausgeübt hatten und daß die Königin von Ungarn und Böhmen keinen besonderen Rechts­titel dafür geltend machen könnte, war Kaunitz doch der Meinung, eine derartige Gesandtschaft könne den ersten europäischen Kronen von ihres­gleichen nicht verwehrt werden. Dies umso weniger, da man ohnehin be­fürchten mußte, Spanien werde mit einer derartigen Gesandtschaft zuvor­kommen. Kaunitz riet daher seiner Herrin, den kaiserlichen Wahlbotschaf­ter Marchese Clerici, auch als königlichen Wahlbotschafter zu beglaubigen und zugleich zu bevollmächtigen, sich in der selben feierlichen Audienz auch in seiner Eigenschaft als königlich-ungarischer Wahlbotschafter dem Kardinalskolleg vorzustellen18). Überdies nahm Maria Theresia den Titel einer Apostolischen Königin von Ungarn an, um auch in dieser Hinsicht 14) Zur Organisierung der Zentralverwaltung unter Maria Theresia, vgl. F. Walter, Maria Theresia und die österreichische Zentralverwaltung, Histor. Bll. 6 (1934); Preußen und die österreichische Erneuerung von 1749; MÖIG 51 (1937), S. 416—29; Der letzte große Versuch einer Verwaltungsreform unter Maria Theresia, MÖIG 47 (1933), S. 428—69; Männer um Maria Theresia (1951); Die Österreichische Zentralverwaltung II/l—4 (1938—50). 15) Vgl. Hauke, a. a. O., S. 106; L uschin, a. a. 0., S. 344, 401 402; Redlich 1, S. 42; Stolz, a. a. O., S. 95. 16) Vgl. L. Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter des fürstlichen Absolutismus 16/1 (1931), S. 478 ff. 17) Vortrag Kaunitz, 1758 Mai 22 (St. K. Vorträge, Fz. 128). 18) Ebenda.

Next

/
Thumbnails
Contents