Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

ENGEL-JANOSI, Friedrich: Liberaler Katholizismus und die Minorität im Vatikanischen Konzil

Liberaler Katholizismus und die Minorität im Vatikanischen Konzil 231 göttlichen Vorsehung anbete26). Keiner von ihnen war zu jenem Prinzipien­kampf bereit, wie er dem Bischof von der bosnischen Grenze vorschwebte, der nach den Worten Actons „so unähnlich den übrigen“ war. Die Haltung der 45 amerikanischen Erzbischöfe und Bischöfe, die am Vatikanischen Konzil teilnahmen, ist noch nicht zum Gegenstand einer abschließenden Untersuchung gemacht worden. Bekannt ist der Brief, den Peter R. Kenrick, Erzbischof von St. Louis, an Lord Acton richtete und der diesen Kirchenfürsten nahe den Ideen des britischen Historikers zeigt. Erzbischof Martin J. Spalding von Baltimore gehörte der Konzilsmehrheit an. Mit Ausnahme des Bischofs von Saint-Augustine in Florida traten die amerikanischen Prälaten nicht als Redner im Konzil hervor, aber mehrfach hatten ihre Ansichten in den Komiteesitzungen Bedeutung27). Eine Per­sönlichkeit aber wie Verőt, Bischof von Saint-Augustine, der im Seminar von Saint-Sulpice Kollege von Dupanloup und Lacordaire gewesen war, würde wohl eine eingehende Studie verdienen. Noch weniger sind Mitteilungen der amerikanischen Bischöfe über ihre Anschauungen und Gedanken während ihres römischen Aufenthaltes be­kannt geworden. Uns liegen zwanzig Briefe vor, die der Bischof von Rochester im Staate New York, Bernhard McQuaid, an einen seiner Diöze- sanpriester, James M. Early, gerichtet hat28). Der erste Brief ist vom 1. Dezember 1869 datiert, der letzte vom 17. Juli 1870. Der Bischof von Rochester gehörte der Minorität im Konzile an. Als er — endlich — in seine geliebte Kathedrale zurückgekehrt war — er hatte in Europa nicht eine Kirche gefunden, wo man beten konnte wie in St. Patrick in Rochester —, bestieg er die Kanzel und verkündete, daß er nun, nach der Promulgation des Dogmas keine Schwierigkeiten habe, es anzunehmen, obwohl er sich ihm bis zum letzten Augenblick widersetzt habe29). Bischof McQuaid war einer jener amerikanischen Bischöfe, die die Definition nicht nur für inopportun, sondern auf Grundlage der Heiligen Schrift und der Tradition für unmöglich hielten. Alle Abstimmungen des Bischofs McQuaid waren von dieser seiner Überzeugung bestimmt gewesen; er habe seine Stimme stets abgegeben „according to my judgement“, schrieb er nach 26) Coelestin Wolfsgruber, Friedrich Kardinal Schwarzenberg (Wien, 1917) III, — Coelestin Wolfsgruber, Joseph Othmar Rauscher (Freiburg i. B., 1888), S. 440. 27) cf. Raymond J. Clancy, American Prelates in the Vatican Council (New York, 1937), S. 8. 28) Die Briefe Bischof McQuaid’s aus Rom werden von meinem Kollegen Professor Henry J. Browne in der Jänner-Nummer 1956 der Catholic Historical Review veröffentlicht werden. Ich danke ihm für die Freundlichkeit, mir deren Benützung erlaubt zu haben. 29) Noch weiter ging Bischof Fitzgerald von Little Rock, der am 18. Juli in Gegenwart des Papstes eine der zwei Non-Placet Voten abgab, nach der Prokla- mierung aber vor Pius IX. niederkniete mit den Worten: „Jetzt glaube ich, Heiliger Vater.“ Clancy, a. a. O., S. 65 f.

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