Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

ENGEL-JANOSI, Friedrich: Liberaler Katholizismus und die Minorität im Vatikanischen Konzil

232 Friedrich Engel-Janosi Hause 30); aber er nahm nicht das Wort, um seine Überzeugung öffentlich zu erläutern oder zu verteidigen. Seine Korrespondenz jedoch vermag uns über seine Beweggründe und seine Eindrücke Aufschluß zu geben. Vorausgeschickt sei, daß der größte Teil seiner Briefe sich weder mit den Vorgängen bei dem Konzil, noch mit theologischen Fragen befaßt. Seine Gedanken kreisen um die Dinge daheim; Bischof McQuaid ist mit seinen Gefühlen und seinem Sinnen bei den seiner geistlichen Obhut An­vertrauten, Priestern und Laien, bei dem Spital, der neuen Schule, dem Bau seines neuen Hauses: er wünscht über jedes Detail informiert zu werden. Er vergißt nicht auf die geheime Gesellschaft der irischen Fenians, die Pius IX. damals verurteilte. Am 24. April approbierte das Konzil die vier Kapitel De Fide Catholica. Der Bischof von Rochester meinte, daß sie sich zum Teil mit überflüssigen Fragen der Metaphysik beschäftigten, die keinen Men­schen mit Ausnahme von deutschen Philosophieprofessoren beunruhigen könnten — so wie sie ja auch für solche allein ausgedacht zu sein schie­nen 30a). Freilich, wenn man McQuaid’s Schreiben vom 30. Juni liest, erhält man den Eindruck, daß der Bischof auch die Worte „ex cathedra“ unter derartige theologische Finessen reihte. In keiner Weise war der geistliche Oberhirt von Rochester durch Rom oder durch Europa überhaupt sonderlich beeindruckt; er gestand, daß nach einem Aufenthalt von zwei Wochen seine Neugierde vollkommen befriedigt war, und wiederholt entringt sich ihm der Seufzer: wenn er nur wieder bei den Seinen wäre. Aber er kennt seine Aufgabe und er hält aus in der Ewigen Stadt, die voll ist von Gerüchten „as thick and lively as their fleas“ — „so dick und lebendig wie ihre Flöhe dort“. Um die Mitte des März hatte er geschrieben: „keine Nachricht von Bedeutung ist von hier zu berichten und das Leben hier ist so ziellos und untätig, daß ich nur wünsche, davonlaufen zu können“ 31). Von seinem ersten Briefe an beginnt McQuaid seine Beschwerden gegen die Jesuiten, die seiner Auffassung nach dem Konzil „diese höchst über­flüssige Frage“ der Infallibilität aufgezwungen hatten — in Amerika hatte man kaum davon gesprochen 32). Wir begegnen seinen Klagen über die Art, wie die Geschäfte in der Kirchenversammlung behandelt werden. Was das neue Dogma anbelangt, so glaubt der Bischof, daß dessen Annahme viele so) Rom, 24. V. 1870. 30a) „There are some obstruse metaphysical points which few can fathom and certainly will never trouble the brains of any but a German philosopher for whose especial benefit they seem to have been made . . .“. Rom, 24. IV. 1870. 81) „There is no news of importance and life here is so aimless and inactive that I long to run from it.“ Hotel de la Minerva, Rom, 14. III. 1870. 3'2) Rom, 1. XII. 1869. — Seit Konzilsbeginn aber wurde die Frage in der amerikanischen Presse lebhaft besprochen. Vgl. J. R. Beiser, The Vatican Council and the American Secular Newspapers, 1869—70 (Washington, D. C., 1941), S. 123 ff., 140—213.

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