Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)
AUER, Erwin M.: Erbritterwürde und Inkompatibilität im Deutschen Ritterorden
74 Erwin M. Auer doch wird auch diese Einrichtung kaum die Rechtsgrundlage für eine Weiterverleihung der Erbritterwürde bieten. In den rund 160 Jahren zwischen 1764 und 1926 verlieh der Deutsche Ritterorden die Erb ritterwürde viermal und zwar an 1. Johann Rudolf Graf Waldbott von Bassenheim (28. September 1764 bis 15. Februar 1805), 2. Friedrich Karl Graf Waldbott von Bassenheim (22. März 1805 bis 6. Mai 1830), 3. Hugo Philipp Graf Waldbott von Bassenheim (21. Oktober 1841 bis 17. Mai 1895) und 4. Ludwig Maria Graf Waldbott von Bassenheim (19. Juni 1920 bis 23. August 1926). In dem genannten Zeitraum ruhte die Erbritterwürde etwa 35 Jahre, so daß die Grafen Waldbott von Bassenheim durch mehr als 125 Jahre den mit dieser Würde verbundenen Ehrentitel des geistlichen Ritterordens trugen. Diese Mitglieder der gräflichen Familie hatten selbst keine persönlichen Leistungen für den Orden aufzuweisen, sondern leiteten das Anrecht auf den Ehrentitel lediglich von einem Verdienst her, das einer ihres Geschlechts sich Jahrhunderte vorher um den geistlichen Ritterorden erworben hatte. Die Ansicht, daß das Verdienst eines Vorfahren noch nach Jahrhunderten für die Nachfahren wirksam bleibe, also gleichsam vererbbar sein könne, war noch im Zeitalter des Barocks und Rokokos durchaus lebendig. Solche Ansichten ermöglichten ja überhaupt erst Einrichtungen, wie sie die Erbritterwürde beispielsweise darstellt. Der Deutsche Ritterorden hatte sich das Ideal der mittelalterlichen Ordensgemeinschaft, die die Glieder zu künftigen Leistungen für den Orden verpflichtete und nicht bereits erworbene Verdienste belohnt 204), bis ins letzte Drittel des 18. Jahrhunderts schon dadurch bewahrt, daß er von seinen Gliedern auch die erst in kommenden Zeiten wirksamen Gelübde des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut verlangte und in der Folgerung aus dem Gehorsamsgelübde an der Inkompatibilität verhältnismäßig lange festzuhalten verstand. Der Beschluß des Generalkapitels von 1764, die Erbritterwürde nicht um künftiger persönlicher Leistungen willen und ohne Ablegung der feierlichen Profeß zu verleihen, schlug die erste Bresche in die Tradition des geistlichen Ritterordens. Eine Entscheidung von gleich folgenschwerer Bedeutung muß der Beschluß des Hoch- und Deutschmeisters vom Jahre 1776 genannt werden, der dem Erbritter gestattete, neben dem Erbritterkreuz des Deutschen Ritterordens einen anderen Orden zu tragen. Nur wenige Ordensglieder ahnten freilich damals die Auswirkungen dieser beiden Beschlüsse. Nicht umsonst verwies man später, wenn es um 13. November 1954. — Marian Turnier, Notiz, in: Die Österreichische Furche, S. 8, Nr. 44 vom 30. Oktober 1954. 204) Erwin M. Auer, Die Ordensgarderobe, in: Festschrift zur Feier des 200jährigen Bestandes d. Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 2, Wien 1951, S. 3.