Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)
CORETH, Anna: Das französische Archivwesen. Bericht über den internationalen Archivkurs in Paris 1954–1955
Frankreich 345 ist, und auch aus Abneigung gegen allzuhohe Zahlen. Man hat vielmehr die alten Signaturen, kombiniert von Großbuchstaben und Ziffern, beibehalten. An Inventaren unterscheidet man drei Arten: das Nummernrepertorium (répertoire numérique), in dem nur die Einheiten unter einer laufenden Nummer kurz bezeichnet sind; das summarische Inventar (inven- taire sommaire), das eine Übersicht über den Inhalt eines Faszikels oder Bandes enthält; schließlich das Stückverzeichnis (Inventaire ana- lytique), das bei abgeschlossenen Beständen in Form eines Repertoriums angelegt werden kann, bei anwachsenden Beständen aber unbedingt in Form eines Zettelkataloges gehalten sein muß. In der imponierenden Reihe der seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts fortlaufend in Druck gegebenen Inventare sind alle drei Typen vertreten. Es sei hier zur Orientierung über den Stand der Inventarisierung das 1938 herausgegebene Verzeichnis nochmals erwähnt: Etat des Inven- taires des Archives Nationales, Departementales, Communales et Hospi- taliéres (1 janvier 1937). i) Benützung und Entlehnung von Archivalien. Laut einem auf die französische Revolution zurückgehenden fundamentalen Prinzip stehen die staatlichen Archivalien der allgemeinen Benützung offen. Nun sind aber diesem Prinzip gegenüber Einschränkungen gemacht worden, die weiter gehen als in Staaten, die auf langsamem Wege ihre Archive erschlossen haben, weiter etwa, als in Österreich. Die allgemeine Benützungssperrgrenze ist, so wie bei uns, auf 50 Jahre festgesetzt und ist gleitend. Darüber hinaus gibt es Einschränkungen für Stücke, die der Ehre irgendeiner Person Eintrag tun, ferner für Personal- und Gerichtsakten, für die wertvollsten Ausstellungsstücke, die nur teilweise vorgelegt werden. Sonderregelungen gibt es selbstverständlich auch für die deponierten Privatdepots. Die Notariatsakten dürfen nur mit Einzelbewilligung des betr. Notars eingesehen werden. Innerhalb der französischen Archive werden Entlehnungen durchgeführt, aber mit Beschränkung: so sind die Serien des Trésor des Char- tes des Nationalarchivs, ferner die der Rechenkammer (Chambre des Comptes), der alten Gerichtsakten (Parlement) und der mit „générales“ bezeichneten Serien nicht in die Provinz entlehnbar. Auch sind sämtliche besiegelte Stücke und ganze Faszikel von der Entlehnung ausgenommen, eine Regel, die wegen ihrer zu großen Strenge wohl früher oder später abgeändert werden wird. Grundsätzlich wird nur an staatliche Institute entlehnt. Abschließend kann gesagt werden, daß heute das französische Archivwesen sehr lebendig ist, daß man sich mit den modernen Problemen und Anforderungen ernstlich auseinandersetzt, dabei auch die Augen offen hat für Dinge, die sich außerhalb der Grenzen Frankreichs tun. Hier will ich auf die Verträge von R. H. Bautier: „Oü vont les Archives dans les