Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

CORETH, Anna: Das französische Archivwesen. Bericht über den internationalen Archivkurs in Paris 1954–1955

344 Archivberichte Komplex des Nationalarchivs erstreckt sich gewiß über einen ziemlich weiten Flächenraum, innerhalb dessen Erweiterungsbauten vorgesehen sind. Trotzdem denkt man aber daran, bei den Ministerien nach ameri­kanischem Muster sogenannte Zwischenarchive einzurichten. In den Dé- partements sind in letzter Zeit etliche neue Archivgebäude notwendig geworden; man berechnet heute den durchschnittlichen Zuwachs eines mittleren Provinzarchivs mit 50—100 m Stellagenlänge jährlich. Hiebei ist zu bedenken, daß alle staatlichen Archive auch durch pri­vate Depots, über deren Hinterlegungsbedingungen ein Vertrag abge­schlossen wird, ferner durch Geschenke und Käufe anwachsen. Die fran­zösische Archivleitung gibt jährlich für Archivalienankäufe 7—10 Mil­lionen Franken, d. i. 420.000—600.000 S aus. Durch Skartierung werden die anfallenden Papiermassen der moder­nen Akten um 5—10%, d. i. um 400—2000 Faszikel jährlich vermindert. Dies geschieht in den Départements nach einem im Jahre 1921 heraus­gegebenen Skartierungsplan, der 584 Kategorien von Archivalien, die gänzlich oder teilweise eingestampft werden können, und dazu den jewei­ligen Skarttermin angibt. Erhalten werden 1. alle Repertorien und Akten bis 1800, 2. alle Nachweise über Rechte von Behörden, Gesellschaften und Einzelpersonen, 3. alle Akten, die ein historisches Interesse besitzen oder erlangen können. In Paris geschieht die Skartierung im großen Stil in den Ministerien, aber nicht ohne Bewilligung des zuständigen Archivars. Die stückweise Skartierung innerhalb der Faszikel wird im Archiv selbst durch wissen­schaftliches Personal durchgeführt, aber nur dann, wenn die Gewähr besteht, mindestens 15% als Skartpapier aussondern zu können, weil sich sonst die Arbeitsleistung nicht lohnt. Man gibt den Rat, Musterexem­plare (etwa einen Faszikel, einen Band) aus zur Gänze eingestampften Beständen aufzubewahren. Eigene Vorträge über Archivgebäude und deren Einrichtung mit zahl­reichen Hinweisen praktischer Art vor allem aus den jüngsten Erfah­rungen bei Archivneubauten, können hier wegen ihrer Vielseitigkeit nicht einmal in großen Zügen wiedergegeben werden. h) Archivalienordnung und Inventarisierung. Hier werden nur einige Punkte herausgegriffen, die für uns von eini­gem Interesse sind. Selbstverständlich ist das allgemein gültige Provenienzprinzip die Grundlage der Aktenordnung, jedoch wird hervorgehoben, daß es nicht Basis jeder Inventarisierung sein muß, daß diese vielmehr nach be­liebigen, für die Forschung vorteilhaften Prinzipien theoretisch vor­genommen werden kann, in der Art, daß neben der Standortssignatur auch die des Inventars angegeben wird. In den französischen Archiven ist das moderne Dezimalsystem bei der Signierung der Akten nicht eingeführt worden und man läßt es auch nicht als absolutes Ideal gelten, vor allem deshalb, weil dadurch wenig Spielraum für unvorhergesehene künftige Entwicklungen gegeben

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