Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

CORETH, Anna: Das französische Archivwesen. Bericht über den internationalen Archivkurs in Paris 1954–1955

342 Archivberichte leder-Einbänden versehen, die noch heute dem Benutzer bekannt sind. Es liegt auf der Hand, daß diese im alten Frankreich sehr übliche Methode des Akteneinbindens, neben dem Vorteil der guten Erhaltung auch Nach­teile mit sich bringt, vor allem dadurch, daß zum Teil infolge absicht­lichen Zurückhaltens, teils durch spätere Funde und Ablieferungen sich Archivalien ansammelten, die nun nicht mehr in die Serie einzureihen waren. Unter Ludwig XV. wurde aus ihnen eine Supplementserie ge­schaffen und in braunes Leder gebunden. Mittlerweile hatte das Archiv ein Depot in den Mansarden des alten Louvre erhalten (1712), bis nach der Jahrhundertmitte der Minister Her­zog von Choiseuil für das Archiv des Ministeriums für Äußeres, gemein­sam mit denen für Krieg und Marine, ein eigenes Palais in Versailles einrichtete. Doch mit der Rückverlegung aller Behörden vom ehemaligen Sitz des Königtums in die Stadt Paris zur Zeit der Revolution begann auch für dieses Archiv eine Epoche mehrmaliger Verlagerung bis zur endgültigen Installierung. Der Benützung zugänglich sind die diplomatischen Akten bis 1893, die Finanzakten bis 1840, und die Personalakten bis 1815. An der Spitze des Archivs steht ein Konservator, neben ihm arbeiten zwei zugeteilte Konservatoren und 7 Archivare, die alle die Ecole des Chartes besucht haben müssen. Sehr umfangreich und bedeutend ist ferner das Kriegs archív, das erst neuerdings, seit Kriegsende, in dem früher königlichen Schloß Vincennes an der Pariser Stadtgrenze untergebracht ist. Seine Geschichte ist ähnlich der des vorerwähnten Archivs: im 17. Jahrhundert begründet, hatte es seinen Aufbewahrungsort im Hotel des Invalides bis zur Über­tragung nach Versailles und, nach einigem Wandern, im Jahre 1815 ins Kriegsministerium. Es hat mehrere Zweigstellen in Paris selbst und man faßt ins Auge, in jedem Korpsbezirk ein Archivdepot zu schaffen. Das Marinearchiv, das ebenso auf Colbert zurückgeht, hatte ein analoges Schicksal. Heute sind dessen neuere Bestände im Gebäude der historischen Sektion des Marineministeriums aufbewahrt und werden von einem Archivar betreut, während die älteren, vor 1870 entstandenen sich als ständiges Depot im Nationalarchiv befinden. Das Archiv hat Zweigstellen in Brest, Cherbourg, Lorient, Rochefort und Toulon. Das vierte selbständige Ministerialarchiv ist das des Ministeriums für die französischen Überseegebiete (Ministére de la France d’Outre-Mer), des früheren Kolonialministeriums. Dieses wurde endgültig erst 1894 be­gründet, vorher waren die Kolonialangelegenheiten ein Ressort des Ma­rineministeriums. Die Bestände sind sehr ungleichmäßig erhalten und geordnet. Während die Archivalien der alten französischen Kolonien schon für das 18. Jahrhundert in guter Ordnung erhalten sind — sie sind bis 1790 im Nationalarchiv deponiert —, ist hingegen der Zustand der Archive der neueren Kolonien ein wesentlich ungünstigerer. Sie sind nur lückenhaft erhalten und bleiben im Depot des Ministeriums selbst, rue Oudinot.

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