Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)
CORETH, Anna: Das französische Archivwesen. Bericht über den internationalen Archivkurs in Paris 1954–1955
Frankreich 341 tinique und Réunion. Diese Archive werden von insgesamt 118 wissenschaftlich ausgebildeten Archivaren (Chartistes) betreut, sie besitzen 800 Bände gedruckter Inventare und Repertorien. Auch in der Provinz gibt es überall die grundlegende Trennung von Archivalien vor und nach der Revolution. Für die ersteren gilt noch der Einteilungsplan von 1841, — diese Akten teilen sich in zivile und kirchliche Serien auf. Für die neueren Akten, also entstanden nach 1790, gilt die Unterscheidung zwischen abgeschlossenen und offenen Serien (zu ersteren zählen z. B. die Akten der Revolution, Herrschaftsakten u. a.). Wie bei den Zentralstellen so kam auch hier die völlig ins Stocken geratene Ablieferung aus den Verwaltungsbehörden erst in letzter Zeit in Fluß und auch heute noch sind große Anstrengungen nötig, um sie durchzusetzen. Den Leitern der Départementarchive steht ein Aufsichtsrecht über die Archive der Kantone, Städte und Spitäler zu, die staatliches Eigentum sind. Eine Unternehmung, die heute die Archivleitung stark beschäftigt, ist die der Errichtung von Dokumentationszentren für Verwaltung, Politik und Wirtschaft, die den Départemantarchiven angeschlossen sind. Sie dienen sowohl der Verwaltung wie auch privaten Benutzern und haben das Ziel, den gedruckten Niederschlag aller Ereignisse der Gegenwart, die von irgendeinem Interesse für die betreffende Landschaft sind, zu erfassen und durch ein spezielles Ordnungsprinzip leicht zugänglich zu machen. Es liegt auf der Hand, daß damit eine große Arbeitsleistung verbunden ist. Mag diese Einrichtung daher in Frankreich Vorteile mit sich bringen — man will dadurch den lokalen Archiven eine betontere Bedeutung geben —, so scheinen die Nachteile doch erheblich und die Belastung des Archivpersonals durch eine seinem eigentlichen Beruf nur angrenzende Tätigkeit ist unverhältnismäßig groß. Heute sind in folgenden Städten Dokumentationszentren eingerichtet: In Limoges, Nimes, Nantes, Evreux, Nizza, Foix, Carcassonne, Metz, Chau- mont und Méziéres, neuerdings in Tarbes, Auch, Orléans und Vannes. e) Die unabhängigen Ministerialarchive. Es handelt sich hier, wie schon gesagt, um jene Ministerialarchive, die nicht den Archives de France unterstehen und deren Bestände nicht in das Nationalarchiv abgegeben werden müssen. Deren gibt es vier: das Archiv des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, das Kriegsarchiv und die Archive der Ministerien für Marine und Übersee. Die Bedeutung des Archivs des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, das seit 1853 im Gebäude des Ministeriums selbst, am Quai d’Orsay, aufbewahrt ist, braucht nicht eigens hervorgehoben zu werden. Das Archiv als solches wurde im 17. Jahrhundert begründet und basiert auf einem Erlaß Richelieus von 1631, dem zufolge die diplomatischen Akten, die bisher im Besitz der zuständigen Staatssekretäre geblieben waren, als Staatspapiere anzusehen und zu sammeln sind. Im Trésor des Chartes waren nur die Verträge aufbewahrt worden. Die nun vereinigten diplomatischen Akten wurden unter Colbert mit jenen roten Maroquin