Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)
CORETH, Anna: Das französische Archivwesen. Bericht über den internationalen Archivkurs in Paris 1954–1955
Frankreich 339 Unterabteilungen, von denen vor allem jene für Mikrofilm eine neuere Schöpfung ist. a) Bei den Archivalien handelt es sich um Privatarchive im weitesten Sinne, nämlich sowohl um Adels- und Herrschaftsarchive (106 Fonds), Archive von Gesellschaften, wie Archive von Wirtschaftsuntemehmungen, von denen 19 im Archiv deponiert sind, während man die Kontrolle über 70 solcher Archive ausübt. Eine gewisse gesetzliche Handhabe gibt es sowohl für die historisch wichtigen Archivalien im Privatbesitz (Anwendung des Denkmalschutzgesetzes vom 17. Juni 1938), wie für die Archive der verstaatlichten Betriebe (Verordnung des Staatsrates vom 29. November 1949). Um das Mißtrauen privater Archivbesitzer zu überbrücken und eine Zusammenarbeit mit ihnen zu erreichen, wurde ein Komitee zum Schutz privater Archive aus Vertretern der Familien, bei denen noch Archive vorhanden sind, und aus Archivaren gebildet, und parallel dazu ein Komitee zum Schutz der Wirtschaftsarchive, an dem die Direktoren der großen Banken, Versicherungsanstalten und Firmen, wie auch Archivare teilnehmen. Das Hauptnotariatsarchiv (Minutier central), das die Archivalien von 141 Pariser Notaren enthält, wurde infolge einer Verordnung vom 14. März 1928, nach der die Notare ihre über 125 Jahre alten Akten im Nationalarchiv bzw. in den Départementarchiven deponieren dürfen, ins Leben gerufen. Es bedeutet dies einen außerordentlich wertvollen Zuwachs für das Archiv. b) Der Mikrofilmabteilung gilt heute ein besonderes Interesse von seiten der Direktion. Sie wird nicht sosehr als Photoatelier zur Erledigung von auswärtigen Bestellungen aufgefaßt, sondern vielmehr als Mikrofilmarchiv, bzw. als Atelier, das zur Erweiterung und Bereicherung dieses Archivs dient. So ist auch der enge Zusammenhang zu verstehen, in dem diese Unterabteilung zu derjenigen der Privatarchive steht. Man unterscheidet einen dreifachen Zweck der Mikrofilmierung: 1. den der Sicherung, 2. den des Ersatzes, 3. den der Ergänzung. Zu 1. Man ist bestrebt, besonders wertvolle Bestände, etwa die ältere Serie des Trésor des Chartes des Nationalarchivs, oder die Zivilstandsregister der Stadt Paris u. a., vollständig aufzunehmen und die Filme in einem entfernten Depot, etwa an der Loire, aufzubewahren. Zu 2. Hier handelt es sich um Reproduktion von Beständen, die entweder nicht zu erwerben sind — wie etwa die Akten des Nürnberger Prozesses —, oder solche, deren große Masse man nicht aufzubewahren gedenkt: dies gilt vor allem für die umfangreichen Archive von Industrieunternehmen, aus denen man wenigstens die Geschäftsbücher und wichtigsten Bestände durch Mikrofilmierung auf geringem Raum aufbewahren will. (Dabei wird allerdings darüber noch viel diskutiert, ob der Mikrofilm wirklich einen genügenden Ersatz für das Original bedeutet.) Zu 3. Das dritte Ziel der Mikrofilmierung liegt in jenen Fällen vor, wo Bestände des betr. Archivs ergänzt werden sollen, etwa durch Bestände in ausländischen Archiven. Typisches Beispiel ist der an das Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv ergangene Auftrag, das lothringische Hausarchiv zu filmen. 22*