Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

CORETH, Anna: Das französische Archivwesen. Bericht über den internationalen Archivkurs in Paris 1954–1955

Frankreich 335 am Archiv in Monaco, Laurore Saint-Juste, Direktor des Nationalarchivs in Haiti, Jakob Stipisic, Assistent an der Akademie der Wissenschaften in Agram. (Mir Chamsudine, Botschaftssekretär von Afghanistan in Frankreich, Louis Cullen, irischer Student und Do Phung-Thi-Do, Stu­dentin aus Vietnam, waren schon vor meinem Eintreffen ausgeschieden.) In einem Flügel des zum Komplex des Nationalarchivs gehörigen Hőtel Rohan, das ebenso wie das Hauptgebäude, das Hőtel Soubise, ein architektonisches Kunstwerk des frühen 18. Jahrhunderts ist — erbaut von Delamair —, war der Kurs untergebracht, d. h. es ist dort ein kleiner Vortragssaal, ein Arbeitszimmer für die Kursteilnehmer, ein Zimmer für den Kursleiter und zwei kleine Büroräume eingerichtet. Jeden Vormittag fand ein ca. 2stündiger Vortrag statt, während die Nachmittage entweder durch Führungen in Archivabteilungen oder anderen Archiven, oder auch durch praktische Arbeiten — etwa Herstellung von Repertorien über Bestände, die das jeweilige Herkunftsland betrafen —, ausgefüllt waren. Die Vorträge wurden von einer Reihe von Archivaren, sei es aus dem Nationalarchiv selbst, es sei aus anderen französischen Archiven, oder von Hochschulprofessoren und entsprechenden Fachleuten gehalten. Die Reihen­folge der Referate entsprach nicht den im gedruckten Programm festge­haltenen Sachgruppen1) — der bunte Wechsel war jedoch für den kurz­fristigen Teilnehmer ein Vorteil, weil er von jeder Sparte etwas zu hören bekam. b) Die Organisation der französischen Archive. Seit dem 23. Februar 1897 gibt es in Frankreich die Einrichtung der „Direction des Archives de France“, eine rein administrative Dach­organisation, in etwa dem „Österreichischen Staatsarchiv“ vergleichbar, der das Nationalarchiv in Paris und die Département-, Gemeinde- und Spitalsarchive unterstehen und deren Direktor dem Ministerium für nationale Erziehung verantwortlich ist. Nicht unterstehen ihr aber die Archive der sogenannten autonomen Ministerien, die ihre eigenen Ar­chivdepots besitzen: das Archiv des Ministeriums für auswärtige An­gelegenheiten, für Krieg, Marine und Kolonien. Die auf die Provinz­archive ausgedehnte zentrale Organisation wurde im Jahre 1921 noch dadurch betont und vereinfacht, daß das wissenschaftliche Personal der Départementarchive verstaatlicht wurde und nun auf Grund eines Vor­schlags des Direktors der Archives de France vom Erziehungsminister ernannt wird, wobei der Präfekt des Départements nur seine Zustim­mung gibt. Wird bisher das Personal des Nationalarchivs noch von dem weit überwiegenden Stab der 89 Departementarchive gesondert geführt, so ist eine völlige Verschmelzung geplant. Beide Gruppen von Archivaren gehen aus der Ecole des Chartes hervor, deren Studiengang bis zum Abschluß der These drei Jahre dauert, während im vierten Jahr eine theoretische und praktische Archivausbildung vorgeschrieben ist. Eben * II. >) Die Themengruppen waren folgende: I. Lehre, Technik und Methodik; II. Geschichte der Archive; III. Der historische Inhalt der Archive; IV. Fran­zösische Archivorganisation; V. Archivorganisation im Ausland; VI. Organi­sation der französischen Verwaltung und Wirtschaft.

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