Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)
HEYDENDORFF, Walther: Die Kriegsakten im Haus-, Hof- und Staatsarchiv
Österreich 325 Entsatzes und damit die Kettung des Reiches konnten nur von außen her erfolgen. So sind Dekrete der Hofkammer bereits am 14./7. aus Linz (Fol. 11/12), am 19./7. aus Passau (Fol. 23/24) datiert, die Österreichische Hofkanzlei läßt sich am 18./7. aus Passau vernehmen (Fol. 19/22). In Wien blieb ein stellvertretender Hofkriegsrat zurück, dem der Feldzeugmeister Graf Kaspar Zdenék Kaplif von Sulovic Vorstand, derselbe, den die Kriegsakten aus den letzten Jahren des Dreißigjährigen Ringens als Kürassierobristen oftmals erwähnen. Die Tätigkeit dieses bewährten Generals an der Seite Starhembergs — ihm fielen die materiellen Sorgen der belagerten Stadt zu — war für die erfolgreiche Abwehr des türkischen Ansturms von entscheidender Bedeutung, was dem greisen General mit der Ernennung zum Feldmarschall gelohnt wurde. Wieweit die Verhandlungen des Kaisers mit den auswärtigen Bundesgenossen durch den Hofkriegsratspräsidenten befördert wurden, dessen überaus pessimistische Einschätzung der Lage von Lorenz hervorgehoben wird6), könnte nur auf Grund gründlicher Untersuchung diesbezüglichen Aktenmaterials, wenn solches verfügbar ist, beurteilt werden. Keineswegs ist aber die Mitwirkung des Reichsvizekanzlers an den Verhandlungen über die Reichshilfe zu übersehen, die für den glücklichen Ausgang der Entsatzschlacht mitentscheidend war. Die Truppen aus dem Reich — jene der Verbündeten des fränkischen Kreises und des oberrheinischen Direktoriums unter dem kaiserlichen Feldmarschall Fürst Georg Friedrich zu W a 1 d e c k, die Sachsen und Bayern unter ihren Kurfürsten, die Braunschweiger, die Kontingente des schwäbischen Kreises und des Erzbischofs von Salzburg u. a. m. — ergänzten die kaiserliche Armee gemeinsam mit den Polen zu jener Stärke, die für den Sieg nötig war. Die Zuerkennung des nominellen Oberbefehls an den Polenkönig, nach 0. Regele „die diplomatisch geschickt erfolgte Überlassung des Oberbefehls an den rangsmäßig hiezu berufenen König Sobieski bei Wahrung der militärischen Führungsinteressen durch den Herzog von Lothringen“, wurde durch eine bestimmte Forderung des Königs erzwungen. Sie hat dazu geführt, daß Sobieski auch heute — entgegen der historischen Wahrheit — als alleiniger Retter Wiens und des Abendlandes gefeiert wird. Diese Maßnahme verlangte nicht nur erhebliche Selbstverleugnung seitens des Kaisers und seines Generalleutnants, des Herzogs von Lothringen, sondern auch langwierige Bemühungen um die Zustimmung der Kurfürsten von Sachsen und Bayern zu diesem ihre Würde beeinträchtigenden Schritte. Johann Georg III. von Sachsen mußte vom Kaiser darauf verwiesen werden, daß dieses formelle Zugeständnis dessen Kommandoführung nicht beeinflusse, da „das Haupt-Concerto des Commando zu weitterer deliberation in loco Congressus beruhet“ (Linz, 3./9. Konzept, Fol. 143). Die Aufgaben des am kaiserlichen Hoflager zu Passau amtierenden Hofkriegsrates wurden durch das Einrücken der Entsatztruppen in die 6) A. a. 0., S. 241.