Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

ENGEL-JANOSI, Friedrich: Liberaler Katholizismus und die Minorität im Vatikanischen Konzil

Liberaler Katholizismus und die Minorität im Vatikanischen Konzil 233 Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten in Amerika hervorrufen werde. „Was Gott mit uns vor hat, entzieht sich meinem Verständnis“ 33 34 3S *). Für den Augenblick freilich schien es, als ob die göttliche Fügung bestimmt hätte, daß Bischof McQuaid sich doch etwas mit diesem Gegenstände beschäftigen solle und ehe noch der Monat April vorüber war, konnte er den Aufschrei nicht unterdrücken, daß die Frage der Unfehlbarkeit ihn bereits derart beunruhigt habe, daß, wenn sie einmal — gleichgültig in welcher Weise — entschieden sei, er nie wieder von dieser Kontroverse hören wolle 34). Es war Missionsgebiet, in dem die Katholiken in Amerika lebten. Sie befanden sich mit Anglikanern, Presbyterianern, Methodisten und vielen anderen Denomination in einem friedlichen Wettstreit, in dem Werke der Wohltätigkeit, der Nächstenliebe, der Volkserziehung und -betreuung zählten. Endlich, vor wenigen Jahren, hatten die Wogen der anti-katholi­schen Volksströmungen wie der Nativismus sich zu beruhigen begonnen35). Von Beginn an war der Antikatholizismus in den Gründerstaaten mit Aus­nahme von Maryland stark gewesen. „Vom Anfang der Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit des Bürgerkriegs (Mitte der Sechziger­jahre) gewann der Antikatholizismus im politischen und sozialen Leben Amerikas immer wieder Bedeutung“ 3a) : Es ist gesagt worden, daß in den Jahren nach der Unabhängigkeitserklärung dem Katholizismus ein typisch anti-amerikanischer Charakter zugeschrieben wurde 37); die Kirche wurde beschuldigt, im Dienste europäischer Regierungen auf den Umsturz der demokratischen Verfassung Amerikas hinzuarbeiten38). Der pragmatischen Auffassung des Landes entsprechend, eröffnete sich der Kirche auf den genannten Gebieten der „charity“ ein weites Betäti­gungsfeld, um die Überlegenheit der eigenen Religion darzutun. Nicht, als ob man an einem Dogma gezweifelt hätte: man gab willig Rom, was Rom verlangen konnte — große Geldsummen mitinbegriffen, aber man hatte keine Absicht, den „Bigotismus“ der nicht-katholischen Teile der Nation wieder wachzurufen. Wie erwähnt: eben erst hatte er sich beruhigt. Viele neue soziale Probleme verlangten eine Lösung eben von der katholischen Hierarchie — die Betreuung der großen Zahl katholischer Einwanderer 33) „What the Almighty has in store for us, is past my comprehension.“ 10. IV. 1870. 34) „ . .. I must not enter into the vexed question, which has been such a disturbance to my mind since I came to Rome that once it is disposed of one way or another I will never want to hear of its controversy again.“ Rom, 24. IV. 1870. 35) Alice Felt Tyler, Freedom’s Ferment (Minneapolis, 1944) SS. 389 ff. 36) Tyler, a. a. O., 358 f.; vgl. auch Gustavus Myers, History of Bigotry in the United States (New York, 1943), SS. 140—213. 37) Zitat aus The Connecticut Observer, 11. I. 1830 bei Ralph Henry Gabriel, The Course of American Democratic Thought (New York, 1940), S. 52 f. 38) Tyler, a. a. O., SS. 364 f., 383.

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