Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

BLAAS, Richard: Die Gedächtniskapelle in Queretaro und die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Mexiko

198 Richard Blaas wenn durch einen Akt der Sühne oder doch wenigstens der Pietät gegen­über dem betroffenen Kaiserhaus ein solcher Schritt gerechtfertigt wäre. Der Präsident Diaz und die mexikanische Regierung ihrerseits konnten aber unmöglich durch einen öffentlichen Akt der Sühne oder eine entspre­chende Erklärung sich von den Ereignissen von 1867 distanzieren, ohne dadurch die Opposition der Juaristen-Partei und der radikalen Elemente im Lande auf den Plan zu rufen, was unweigerlich zu innerpolitischen Schwierigkeiten geführt hätte. In dieser heiklen Situation einen geeigneten Mittelweg zu finden, erforderte großes diplomatisches Geschick auf beiden Seiten. In diesem Stadium der Entwicklung taucht zum ersten Mal der Plan zu einer Gedächtniskirche in Queretaro auf, die zum Symbol der Versöh­nung der Gegensätze werden sollte. Fürst Khevenhüller, dem es ernstlich um die Herbeiführung normaler Beziehungen zu Mexiko zu tun war, setzte sich mit General Porfirio Diaz in Verbindung und versuchte, ihn dazu zu bringen, doch den ersten Schritt zur Aussöhnung, wenn auch nur im Geheimen, zu tun. Als solchen bean­tragte er den Bau einer Kapelle an der Stelle, an welcher Kaiser Maximilian erschossen worden war28 *). Dieses Projekt wurde vom Präsidenten Diaz unter der Bedingung angenommen, daß die mexikanische Regierung nicht als Initiator des Baues in Erscheinung trete. Um jede Mitwirkung der Regierung vor der Öffentlichkeit zu verschleiern, wurde in vertraulichen Absprachen beschlossen, Dr. Kaska die Ausführung des Baues zu über­tragen20). Er trat nach außenhin als Bauherr auf und finanzierte den Bau aus den Mitteln des geheimen Dispositionsfonds der mexikanischen Regie­rung, die ihm zur Tarnung des wahren Auftraggebers auf eine Bank in New York überwiesen worden waren30). Diese streng vertraulichen Ab­sprachen waren zu Ende des Jahres 1897 geführt worden und, wie es scheint, war auch Fürst Khevenhüller nicht völlig über den wahren Sach­verhalt informiert worden, da er dem k. u. k. Außenminister gegenüber zu Anfang des Jahres 1898 die Sache so darstellte, als ob der Präsident der mexikanischen Republik durch einen geheimen Parlamentsbeschluß er­mächtigt worden sei, eine Sühnkirche in Queretaro zu errichten; General 28) Daß der Antrag zum Bau der Kapelle von Fürst Khevenhüller ausging, beweist ein Brief Dr. Kaska’s an den Fürsten vom 30. Okt. 1900, in dem er schreibt: „Erinnere Sie, Durchlaucht, daß Sie verlangten, der erste Schritt zur Aussöhnung müsse von Seite Mexikos gethan werden. Sie beantragten als solchen den Bau einer Kapelle, an der Stelle, an welcher S. M. Kaiser Maximilian ge­storben ist...“ Pol. Arch. XXXIV/9, Liasse Mexiko I. 20) Gesandtschaftsarchiv Mexiko, Korrespondenzen, Rechnungen etc. betref­fend den Bau der Kapelle in Querétaro 1897—1901; Zuschriften des Finanz­ministers Limantour und des Min. d. Äuß. Mariscal an Dr. Kaska 1897. Siehe auch Anm. 30. 30) Pol. Arch. XXXIV/9, Liasse Mexiko I, Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Mexiko 1901. Bericht des Prinzen Fürstenberg Nr. 6, Vertraulich, vom 30. III. 1901.

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