Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
ALLMAYER-BECK, Johann Christoph: Die älteste Handschrift des Wiener Kriegsarchivs: eine Kreuzauffindungslegende
Die älteste Handschrift des Wiener Kriegsarchivs: eine Kreuzauffindungslegende. Von Joh. Christoph Allmayer-Beck (Wien). In einem Archiv, dessen Bestände nur in einzelnen Fällen bis in das 14. Jahrhundert zurückreichen, wie dies beim Wiener Kriegsarchiv der Fall ist, gehören mittelalterliche Handschriften zu den Seltenheiten. Nur gelegentlich wurden durch die hochgehenden Wogen kriegerischer Ereignisse mit der papierenen Flut militärischer Akten auch das eine oder andere Stück mittelalterlichen „Strandgutes“ angeschwemmt und in die Obhut des Archivs übernommen. Die Wege der nunmehr ältesten Handschrift des Wiener Kriegsarchivs, eines lateinischen Fragments der Kreuzauffindumgslegende aus dem 12. Jahrhundert, waren zweifellos vielfach auch mehr vom Donner der Geschütze als vom Geläute der Kirchenglocken begleitet. Ursprünglich ein Blatt in einem Pergament-Codex, wahrscheinlich französischer Herkunft, wurde dasselbe von unbekannter Hand aus diesem herausgeschnitten und im Laufe des 18. Jahrhunderts — nicht vor 1730, vermutlich aber überhaupt erst während der französischen Revolution — zu einem Einband für ein recht schmuckloses Notizbuch verarbeitet. Als Besitzer dieses Büchleins bezeichnete sich auf der Innenseite des Buchdeckels der französische Fourier-Corporal Henry Champion von der Kompagnie Braconnier des 4. (Nationalgarde-)Bataillons von der Mosel, der darin im „Lager des Cäsar“ bei Cambrai am 7. Juli 1793 seine erste Eintragung machte. Von da ab hat Champion in sein „Livre d’ordre“ laufend bis zum 10. Germinal = 30. März 1794 die Befehle seiner Vorgesetzten Dienststellen aufgeschrieben. Dann war das Büchlein voll und Champion hat vielleicht ein neues begonnen. Er gehörte damals mit seinem Bataillon zur Besatzung von Landrecies. Der Platz wurde zwischen dem 17. und 19. April 1794 von den Verbündeten eingeschlossen und kapitulierte elf Tage später. Ob bei dieser Gelegenheit oder zu einem anderen Zeitpunkt das Notizbuch des französischen Unteroffiziers in die Hände der Verbündeten fiel, ist nicht bekannt. Jedenfalls gelangte es in das Hauptquartier des kaiserlichen Befehlshabers, des Feldmarschalls Prinz Josias von Sachsen-Coburg, wo allerdings für das an sich unbedeutende Beutestück offensichtlich kein allzu großes Interesse bestand. So nahm denn der Generalstabschef des Prinzen, der Oberst und nachmalige Feldmarschalleutnant Friedrich Frei-