Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.
508 Erika Weinzierl-Fischer Fall, daß er nicht genügend Roggen auftreiben könne, ermächtigt, auch Weizen, Gerste, Buchweizen und Kukuruz aufzukaufen, aber diese Früchte sollten nicht mehr als ein Siebentel der für die Zivilbevölkerung bestimmten 600.000 Metzen ausmachen. Beim Transport sollte die Wasser- und Landtransportkommission unter Graf Balassa Festetics unterstützen 209,). Der Kaiser, dem die diesbezüglichen Kommissionsprotokolle vorgelegt wurden, verlangte außerdem noch, daß der größte Teil der Vorräte bis spätestens Ende Februar 1772 nach Böhmen geliefert sein müsse, ferner die sofortige Bestellung von 100.000 Säcken vor allem in Böhmen, „um dem dortländigen Contribuenten einen Verdienst zuzuwenden“ und die möglichste Beschleunigung der ganzen Hilfsaktion210). Festetics selbst begab sich Anfang Dezember nach Ungarn und kaufte dort mit seinem Beamtenstab bis Mitte Jänner 1772 von verschiedenen ungarischen Getreidehändlern und Großgrundbesitzern zu einem Durchschnittspreis von 2 fl. 46'/8 kr. für 1 Metzen Roggen und 3 fl. 4’/4 kr. für 1 Metzen Weizen 308.372 Metzen Getreide auf. Da auf Grund alter Kontrakte noch weitere 219.643 Metzen aufgebracht wurden, war der Zivilbedarf211) daher schon fast gedeckt212). Die Hofkanzlei beauftragte Festetics deshalb schon am 11. Jänner, weitere Ankäufe einzustellen213) und der Hofkammerrat nahm bereits am 17. Jänner wieder an der Sitzung der a.o. Kommission teil. In dieser berichtete er über die nur sechswöchige Tätigkeit seiner Beamten und daß es ihm gelungen sei, für den Transport des Getreides nach Österreich freiwillige, billige Fuhrleute und Schiffer zu dingen, die auch keine Eskorte brauchten214). Dem Schlußbericht Festetics’ über seine Tätigkeit ist zu entnehmen, daß die von ihm und seinen Beamten aufgebrachte und transportierte Getreidemenge zirka 500.000 Metzen betrug, die sich Anfang Juni bereits zur Gänze auf österreichischem Boden befand 215). 209) Protokoll der a.o. Kommission vom 2., 3. XII. Ebendort. 210) ..In seinen mehrmalen bezeigten würksamen Dienst Eifer setze ich das gänzliche Zutrauen, daß er das ganze Benehmen der Commission dergestalten zu leiten wissen wird, damit an Kleinigkeiten und mit vielen Schreibereien sich nicht aufgehalten, dargegen aber im wesentlichen Mein Befehl in unnachbleib- lichen Vollzug- gesetzet werde.“ 1771 XI 29. Handbillett Josephs an Kollowrat. Kommission, Fasz. 5, Dezember, n. 79. 211) Da die Armee für sich selbst sorgen wollte (siehe oben S. 506), hatte man Festetics bald beauftragt, nur 600.000 Metzen zu beschaffen. 1771 XII 2, 3, Prot. d. a.o. Kommission. Ebendort. 212) 1772 I, und 1772 I 17. Kommission Fasz. 6, Jänner, n. 22 und Nachlaß Kollowrat, n. 328. 213) Kommission Fasz. 6, Jänner, n. 31. 214) 1772 I 17, Prot. d. a.o. Komm., ebendort, n. 50. 215) 1772 VII 31, ebendort, Fasz. 10, August, n. 12.