Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.
Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770—1772 505 bereits für den 2. November eine Sondersitzung des Staatsrates einberufen und „ex parte politici wieder besondere Commission, so, wie es letztmals geschehen“ betrauen184). Deren Leiter war wieder Kollowrat. Vom Hofkriegsrat wurden ihr der Oberste Kriegskommissär Grechtler 185 *) und der Hofkriegsrat Hauer188), von der Hofkammer Hof rat Festetics187), vom Kommerzienrat Hofrat Raab188), von der Wiener Magazinskommission Hofrat Mayer189), von der ungarischen Hofkammer Hofrat Gyory 19°) und von der Rechenkammer Hof rat Puchberg 191) beigezogen. In der Staatsratssitzung selbst, an der auch die Mitglieder der a.o. Kommission teilnahmen, wurden alle Vorschläge 192 193) des Kaisers mit Ausnahme des Verbotes des Partikulareinkaufes in Ungarn 198) und der Bemessung des Fuhrlohnes nach der Zahl des verwendeten Zugviehs 194) gebilligt. Auch der Versuch einer Gersteneinfuhr aus Bayern wurde als von vornherein aussichtslos abgelehnt. Eine Petition, die das böhmische Gubernium dem Kaiser überreicht hatte195 * *) und die unter anderem die Forderung nach einem Kontributionsnachlaß enthielt, wurde ebenfalls beraten. Der Staatsrat sprach sich zwar gegen eine derartige Erleichterung aus, verwies aber auf die Tatsache, daß in der praktischen Handhabung der Steuereinhebung 184) StR.Prot. 1771/1V/3754 und 4125. — Dieser förmlichen Reaktivierung der a.o. Kommission war allerdings keine offizielle Enthebung vorausgegangen und die Kommission dürfte auch seit ihrer ersten Einsetzung im Jänner 1771 (siehe S. 483) ununterbrochen — wenn auch zeitweise nicht gerade sehr intensiv — tätig gewesen sein. Vgl. auch S. 512. 183) Johann Georg Freiherr von Grechtler, Praeses des Militär-Haupt-Ver- pflegsamtes. Hof- und Staatsschematismus 1772, S. 158. 188) Carl Joseph Edler von Hauer. Ebendort, S. 159. >87) Paul Graf Festetics von Tolna (1725—1782). Wurzbach, a. a. O., 4, 1858, S. 209 und Kempelen Béla, Magyar Nemes Családok 1, Budapest 1912, S. 116. 188) Franz Anton Ritter von Raab (1722—1783). Wurzbach, a. a. 0., 24, 1872, S. 155 f. 189) Johann Adam Edler von Mayer, geheimer Kammerzahlmeister. Hof- und Staatsschematismus 1770, S. 278. 190) Franz Győry von Radvány. Kempelen, a. a. O., S. 417. 191) Johann Matthias Puchberg. Wurzbach, a. a. O., 24, 1872, S. 43. ,9-) Siehe oben S. 504. 193) Der Staatsrat vertrat die Meinung, daß der Staat nicht allen helfen könne und daher den einzelnen auch nicht alle Möglichkeiten zur Selbsthilfe abschneiden dürfe. 194) Joseph hatte vorgeschlagen, für ein Stück Zugvieh 15 kr. zu zahlen, der Staatsrat hielt jedoch die Entlohnung nach der beförderten Menge (4 kr. pro Centner in den Erblanden, 3 kr. in Ungarn) für günstiger. iss) 1771 X 28, Note Josephs über Vorschläge, die das böhmische Gubernium „mir überreichet hat“. Hof reisen Karton 3. — Das Gubernium hatte darin auch einen Vorschuß von 3 Millionen fl. verlangt, gegen den sich aber sowohl der Kaiser als auch der Staatsrat aussprachen.