Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.
506 Erika Weinzierl-Fischer die Not ohnedies berücksichtigt werde196). Zwei Vorschläge des Großherzogs von Toskana — die Herstellung und den Verkauf von Brot197) jedem zu gestatten und öffentliche Arbeitsbeschaffung — wurden gleichfalls akzeptiert198). Unterdessen waren schon auf Grund der Berichte Josephs Hilfsmaßnahmen für das böhmische Gebirge und die Herrschaften Starkenbach, Trautenau und Hohenelbe in die Wege geleitet worden, und zwar wurden ab 23. Oktober solange wöchentlich vom Wiener Magazin 600 Centner Mehl nach Böhmen abgeschickt, bis die gelieferte Menge 30.000 Metzen Getreide entsprach199). Da aber der Kaiser daraufhin nach Wien schrieb, daß sich die Weber und Spinner im Gebirge wegen Geldmangels nichts von diesen Lieferungen kaufen könnten und daher vorschlug, ihnen um 100.000 fl. Leinwand abzukaufen, die man im Ausland absetzen oder für die Armee verwenden solle 200), geschah auch das201). Auch der Vorschlag des Kaisers, die Einfuhr von Hülsenfrüchten aus Innerösterreich zu prämiieren, wurde in die Tat umgesetzt 202). Alle diese Maßnahmen konnten aber nur partiell die Not etwas lindern, entscheidende Hilfe war allein von der schleunigen Einfuhr einer genügend großen Menge Getreide nach Böhmen zu erwarten. Und bei der Inangriffnahme gerade dieses Problems ergaben sich immer wieder neue Hindernisse. Der Kaiser hatte ursprünglich gewünscht, daß der Hofkriegsrat den gesamten Ankauf und Transport des ungarischen Getreides übernehmen solle. Da der Hofkriegsrat diese Aufgabe jedoch ablehnte und nur für die Armee sorgen wollte, wurde sie zur Gänze der außerordentlichen Kommission und damit Graf Kollowrat anvertraut, der nun mit allen Vollmachten 19°) „jedoch ist allschon vor einiger Zeit durch den Obristen Kanzler den Kreishauptleuthen auf E.M. Befehl in geheim mitgegeben worden, daß sie gegen die restantiarios und erarmte Contribuenten, die aus Noth und Elend die Contribution zu praestiren nicht im Stande sind, ganz gelinde, und so zu sagen gar nicht fürgehen sollen, wo es nochhin allezeit von der allerhöchsten Gnade abhangen wird, die erwachsende Resten ganz, oder zum Theile nachzusehen.“ 197) Dem böhmischen Gubernium wurde am 26. November mitgeteilt, daß in Prag und allen übrigen Städten Böhmens freies Backen und Verkaufen guten Brotes zu festen Preisen jedermann zu gestatten seien. Kommission, Fasz. 4, November, n. 46. 198) 1771 XI 2, Prot. d. Staatsratssitzung. Hofreisen Karton 3. 199) 1771 X 19, Prot. d. a.o. Kommission. Kommission Fasz. 4, Oktober, n. 22. — Diesen Transport übernahm dann später zur Gänze Löbl Isaac Humpolitzer. 1771 XII 6, ebendort, Fasz. 5, Dezember, n. 8. 200) 1771 XI 1, Prag. Joseph an Maria Theresia, Hofreisen Karton 3.-’°i) StR.Prot. 1771/IV/3713. 202) Für 1000 Metzen Hülsenfrüchte und Zugemüse 500 fl., bei kleineren Mengen pro Metzen 20 kr. 1771 XI 25. Kommission Fasz. 4, November, n. 64. Diese Verfügung wurde am 4. II. 1772 auf Erbsen, Linsen und Bohnen eingeschränkt. Ebendort, Fasz. 7, Februar, n. 10.
