Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.

498 Erika Weinzierl-Fischer von aus Gras und Kleie gebackenem Brot. Am 20. Juli starb ein Untertan „vor Hunger“. Der über die auf Logowitz herrschenden Zustände einver­nommene dortige Wirtschaftsschreiber sagte erschütternde Dinge aus143,). Auf der Schwarzenbergischen Herrschaft Krumau wurde ebenfalls aus Gras, Wurzeln, Lein-, Flachs- und Heusamen Brot gebacken144). Die Herr­schaft hatte von den Magazinen in Neuhaus und Stockerau keine Hilfe erhalten können und die Fuhren, die sie nach Ungarn um Getreide geschickt hatte, waren beschlagnahmt und nach Prag geleitet worden145). Dabei waren die Ernteaussichten in ganz Böhmen, besonders aber in den Kreisen Tabor, Chrudim, Beraun, Leitmeritz und Bidschow infolge der feuchten Witterung, Samenmangels und „Widerspänstigkeit und Stutzigkeit der aufgebrachten Bauern“ (Kreis Tabor) sehr schlecht146). Im September, also nach der neuen Ernte, kostete ein Metzen Koggen ca. 4 fl.147). Da aber in Sachsen noch größerer Getreidemangel herrschte und dort daher noch weit höhere Preise bezahlt wurden148), nahm der Getreideschmuggel immer mehr überhand149). Zur Abhilfe zog man an den Grenzen nun wirklich einen Militärkordon150) und die Kaiserin sah sich nach langem Zögern151") endlich doch gezwungen, größere Schmuggelaktionen mit dem Tode zu bestrafen152). Dazu langten noch wirklich besorgniserregende Nachrichten 143) „Auch hätte den nemlichen Tag (18. Juli) ein Madl den Verwalter Rindfleisch gestohlen, hiemit sich gählings angegessen und sogleich gestorben.“ 1771 VII 12 und VII 19, ebendort, Fasz. 3, Juli, n. 54. 144) 1771 IX 6, ebendort, Fasz. 3, September, n. 33. 145) 1771 IX 13, ebendort, n. 25. 146) 1771 VIII 26, Bericht des böhm. Guberniums, ebendort, n. 26. — 1771 IX 6, Vortrag der Hofkanzlei, ebendort, n. 14. 147) In Prag und auf dem flachen Land 3 fl. 40 kr. bis 4 fl., im Gebirge 4 fl. 20 kr. bis 4 fl. 40 kr. 1771 IX 6, ebendort, n. 14. 148) Für 1 Scheffel (= 54 96 1) Roggen 8—18 fl. Ebendort. 14°) Ebendort. 150) An den Grenzen der Kreise Eger, Elbogen, Saaz, Leitmeritz und Bunzlau. Ebendort. 151) Staatskanzler Kaunitz berichtete schon im Februar 1771, daß der Kurfürst von Bayern einen Mautner, der die Ausfuhr von tausend Scheffel Getreide begünstigt hatte, enthaupten ließ (1771 II 17, Vorträge Fasz. 160). Im Mai hatte dann die Hofkanzlei den Vorschlag des böhmi­schen Guberniums, die Todesstrafe einzuführen, abgelehnt und dafür angeordnet, daß bei geglückten Verhaftungen etwaige Denunzianten das ganze beschlag­nahmte Getreide oder dessen Wert in Geld erhalten sollten (1771 V 24, Kom­mission Fasz. 2, Mai, n. 26). Im August resolvierte die Kaiserin auf einen Vor­trag der Hofkanzlei über Getreideschmuggel bereits folgendermaßen: „ich noch zuletzt genöthiget seyn würde, nach dem Vorgang änderen Fürsten, auf die Getraid Ausschwärzungen die würkliche Todesstrafe zu setzen.“ (1771 VIII 14, StR.Prot. 1771/III/2841.) 152) 1771 IX 23, Konzept, Kommission Fasz. 3, September, n. 22. — Das Patent wurde am 3. Oktober 1771 erlassen, ebendort, Fasz. 4, Oktober, n. 11. — Die bewaffneten Teilnehmer an größeren Aktionen, die Widerstand leisteten, sollten „nach vorheriger rechtlicher Inquisition bey dem nächsten Halsgericht,

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