Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.

Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770—1772 483 niedriger war, als in Franken, Bayern, Schwaben und großen Teilen Frankreichs 40). Für Böhmen hatte unterdessen die Hofkanzlei angeordnet, daß die Kreishauptleute die Dominien verhalten müßten, ihren Untertanen das erforderliche Saatgut zur Verfügung zu stellen. Die im Lande liegenden Vorräte sollten zuverlässig erhoben werden41). Auch der Nachschub aus Ungarn war schon in die Wege geleitet worden und die Kaiserin hatte für den Einkauf ungarischen Getreides namhafte Summen zur Verfügung gestellt42). Von diesen Einkäufen sollten 100.000 Metzen Roggen oder die entsprechende Menge Mehl nach Böhmen gebracht werden, wobei sich über den Transport und die Verteilung die Hofkanzlei, das Militärverpflegsamt und die Wiener Magazinskommission zu einigen hatten. Zu diesem Zweck setzte Maria Theresia am 18. Jänner 1771 eine eigene, aus Vertretern aller beteiligten Behörden bestehende Kommission unter dem Vorsitz des Vize­kanzlers Graf Kollowrat43) ein. Nachdem den zwar äußerst unzuverlässigen Berichten der böhmischen Kreishauptleute zu entnehmen war, daß die in Böhmen vorhandenen Getreidevorräte auf keinen Fall bis zur nächsten Ernte reichen würden, war nach dem Willen der Kaiserin die Organisation der Hilfe für das bedrängte Land die vornehmste Aufgabe dieser Kommission 44). 40) 1771 y i; Gutachten Josephs, Vorträge Fasz. 161. — So waren z. B. in Wien in diesen Jahren folgende Getreidepreise für 1 Wiener Metzen zu ver­zeichnen: 1769 = 105'32 kr. (Weizen), 65’03 kr. (Roggen).— 1770 = 144'78, 120’31. — 1771 = 207, 182 38. — 1772 = 214'27, 166'27. — 1773 = 141, 11L62. Pribram, a. a. O., S. 274. — Diese Zahlen zeigen anschaulich die Auswirkungen vor allem der böhmischen Hungersnot auf das Preisgefüge der ganzen Monarchie. 41) 1770 IX 23, Kommission Fasz. 1, September, n. 4. 42) Unter anderen sollte die Wiener Proviantierungskommission 200.000 fl., zahlbar in 4 Raten, erhalten. 1770 XII 3, StR.Prot. 1770/IV/4336. — Der kaiser­liche Vorschlag, von allen an der Donau (Preßburg—Ofen) liegenden ungari­schen Komitaten ein Drittel ihrer Kontribution im Getreide anzunehmen (1 Met­zen mit 40 kr. berechnet), war sowohl von der ungarischen Hofkanzlei als auch vom Hofkriegsrat abgelehnt worden. 1770 XI 10, XI 12, XII 16. Ebendort n. 3981, 4113, 4551. 43) Siehe oben S. 479 f. 44) „zu diesem Ende also ist untern praesidio des Kollowrath eine besondere Commission anzuordnen, der von Seiten der Militär Verpflegs Commission ent­weder der Grechtler oder sonsten jemand nach Befund des Kriegs Praesidenten, in gleichen auch ein Rath der hiesigen Magazins Commission beyzuziehen seyn wird, allermassen hierwegen an einso andere Behörde Meinen Auftrag unter einstens erlasse. Insonderheit wird diese Commission sich zur Richtschnur nehmen, daß diese Aushülf mit allermenschen möglicher Beförderung nacher Böhmen zu verseha- fen, das eigentliche Quantum aber geheim zu halten, daß ferners zum Ver- gutungs Preiß das nämliche Quantum, wie Meinem aerario das materiale, bis in die Magazins Stationen mit aller Beköstung zu stehen kommt, festzusetzen, und daß, nachdem© ohnehin für den auf die Aussaat dem Unterthan leistenden 31*

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