Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
WASSILKO, Theophila: Die Internationale Musik- und Theaterausstellung Wien 1892 und das Obersthofmeisteramt
474 Theophila Wassilko griffe des Musikrezensenten lassen auf persönliche Spannungen schließen, deren es bei einem so großen Unternehmen nicht wenige gegeben haben mag und die auch Adler andeutet, wenn er darüber klagt, daß die musikhistorische Abteilung „von außen und innen täglich neuen Anfeindungen ausgesetzt“ war. Der Theaterreferent der Wiener Zeitung wieder gehört zwar, wie er sagt, „nicht zu jenen, welche darüber klagen, daß der Katalog so spät erscheint“, bemängelt aber, daß mit dem Katalogisieren erst begonnen wurde, nachdem die Objekte ausgestellt waren60). Daß ein so ausgedehntes Werk —- die statistische Tabelle im Katalog der musikwissenschaftlichen Abteilung weist 7149 Gegenstände von 580 Ausstellern aus, der Katalog der theaterwissenschaftlichen Abteilung 5202 Gegenstände — nicht über Nacht aus dem Boden gestampft werden kann, ist jedem Einsichtigen klar. Adler rechnet für die Abfassung dieses Kata- loges unter regulären Verhältnissen zwei Jahre. Und daß mit dem Katalogisieren der Objekte erst nach Beendigung der Aufstellungsarbeiten (zirka 25. Mai) begonnen werden konnte, liegt in den besonderen Umständen. Wenn man bedenkt, daß entgegen allen Zusicherungen und Erwartungen der größte Teil der Gegenstände am 25. April noch ausständig war 61) und erst kurz vor Eröffnung der Ausstellung in solchem Ausmaß einlangte, daß nahezu im letzten Moment noch zwei große Pavillons angebaut werden mußten, um für die zahlreichen auch ohne vorherige Anmeldungen einlangenden Gegenstände Raum zu schaffen, kann man die Schwierigkeiten ermessen, die allerorten zu überwinden waren. Damit entkräftet sich auch der von der Hofbibliothek erhobene Vorwurf, „daß die Kommission bis in die letzten Tage nicht wußte, was sie von den zahlreichen vorher dringend erbetenen Werken ausstellen sollte oder nicht02). Denn vieles, was als Ersatz oder Reserve vorbereitet worden war, konnte bei der Fülle des nun vorhandenen Materials als entbehrlich zurückgestellt werden oder mußte wertvollerem Platz machen. Bei allem Verständnis für die vorhandenen Schwierigkeiten, die dem rechtzeitigen Erscheinen des Kataloges entgegenstanden und für den hohen Wert desselben, der gegenüber dem Vergänglichen einer Ausstellung etwas Zeitloses darstellte, darf man jedoch nicht übersehen, daß das Publikum, für das ja eine Ausstellung in erster Linie gedacht ist, ein Anrecht darauf hat, durch die Fülle des Geschauten „geführt“ zu werden, daß es „sehen“ lernen will und soll. Ob die vorhandene Lücke nun mit Hilfe eines provisorischen Katalogs oder durch improvisierte Führungen überbrückt wird, das ist Sache der Organisation. Daß durch dieses Versäumnis der Eindruck der Planlosigkeit und Saumseligkeit erweckt wurde, ist gewiß sehr bedauerlich, tut aber dem ideellen Erfolg der Ausstellung keinen Abbruch. * 62 °°) Wiener Zeitung, Abendpost, 30. Juli 1892. 81) Vorwort zum Fachkatalog für deutsches Drama und Theater, Wien 1892. 62) OHA. 10/44, ZI. 3790; H. B. 378 vom 17. Juni 1892.