Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns
Das Archiv der Stadt Enns 447 zusammengewürfelten Archivalien des Museums befanden sich zahlreiche Ennser Schriften. Ob sie bei der Zersplitterung des Ennser Stadtarchivs im Jahre 1857 oder erst später in die Linzer Anstalt kamen, ob im Geschenkoder Kaufwege, ist nicht mehr festzustellen. Nach einem Bericht des Archivreferenten am Museum, General Viktor Freiherrn von Handel-Mazzetti, vom 16. Mai 1907 28 29), wurde die Ennser Sammlung vor vielen Jahren aus dem Museum entwendet. Solche bedauerliche Diebstähle scheinen an dem heimatlichen Kulturinstitut, das für die verschiedenen Fächer nur ehrenamtliche Mitarbeiter hatte und keine fachkundige Kraft für die Betreuung der Schriftdenkmale besaß, mehrmals vorgekommen zu sein. Führte doch der akademische Maler und spätere Kustos Josef M. Kaiser 1877 im Verwaltungsausschuß Klage über Entfremdungen von Urkunden und Akten 30). Um 1892 wurden die gestohlenen Ennser Archivalien dem Linzer Museum von Prag wieder zum Kaufe an- geboten und dürften zur Gänze wieder nach Linz gekommen sein. Im Jahre 1898 übernahm Handel-Mazzetti die Leitung des Musealarchivs, das in dem 1895 eröffneten Museumsneubau endlich ausreichende Räume erhalten hatte. Sein Verdienst ist die Erwerbung bedrohter Archive und deren Inventarisierung. Soweit es die beschränkten Geldmittel zuließen, war er mit Erfolg bemüht, den Ennser Bestand durch Ankäufe bei Antiquaren, besonders bei der Firma Gilhofer und Ranschburg in Wien zu vermehren. Als im Jahre 1914 das Musealarchiv dem oberösterreichischen Landesarchiv übergeben wurde, zählten die Ennser Akten 33 Schuberbände. Sie reichen bis in das Jahr 1356 zurück und enthalten für sämtliche Zweige der Ennser Stadtgeschichte wertvolles, noch wenig benütztes Quellenmaterial. Im Jahre 1896 war das oberösterreichische Landesarchiv als Zentralsammelstelle mit der Bestimmung, das gesamte gefährdete Material zur Geschichte des Landes aufzunehmen, und als wissenschaftliche Forschungsstätte gegründet worden. Eine wichtige Aufgabe erblickte das junge Institut in dem Schutz der Stadt- und Marktarchive, der sich in der Richtung auswirkte, daß Gemeindearchive durch Fachkräfte an Ort und Stelle geordnet oder in die Verwahrung des Landesarchivs übernommen wurden. Dabei war letzteres auch bestrebt, Archivstücke ainzukaufen, die in Gefahr waren, auf dem Wege des Altertumshandels außer Landes zu kommen. Seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts wurden aus den Auktionskatalogen des Wiener Antiquariates Gilhofer und Ranschburg wiederholt Ennser Archivalien erworben. Vereinzelte Stücke wanderten von H. Schöppel in Regensburg (1907) nach Oberösterreich zurück. Eine größere Zahl von Ennser Akten ging 1904 aus der Sammlung des Steyrer Landesgerichtsrates Edmund 28) Schreiben an Primär Dr. Josef Schicker in Enns. Stadtarchiv Enns, Archivgeschichtliches. a») E. Trinks, Das Urkundenbuch des Landes ob der Enns. Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines, Bd. 85 (Linz 1933), S. 632.