Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns

448 Eduard Straßmayr Schmiedel, der von 1893 bis 1902 Kustos des Stadtmuseums „Lauriacum- Enns“ war, in den Besitz des Landesarchivs über. Nach dem großen Zuwachs durch die Archivalien des Linzer Museums (1914) konnte das Landesarchiv immer wieder Splitter von den nach allen Windrichtungen verschlagenen Ennser Beständen in seine Obhut bringen. So trat das Stiftsarchiv Seitenstetten vier Urkunden und Aktenstücke im Jahre 1923 geschenkweise ab. Die Wiener Städtischen Sammlungen wid­meten 1931 einen Bericht über die durch den Bauernkrieg 1626 in der Stadt Enns verursachten Schäden (1630). Im Tauschwege überließ das steiermärkische Landesarchiv (1927) fünf an die Stadt Enns gerichtete kaiserliche Befehlschreiben (1544—1740). Ein Angebot des Antiquariates Waldemar Poseck in Berlin (1925) führte zum Rückkauf von 29 Mandaten Kaiser Friedrich III. in Yerwaltungs-, Wirtschafts- und Bürgerangelegen- heiten (1441—1492). Der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen mit dem Sitz in Prag verwahrte 60 Aktenstücke aus den Jahren 1523—1699, die an Richter und Rat der Stadt Enns gerichtet waren und Untertanensachen, Militär­angelegenheiten, Rechtsfälle, Maut und Gewerbe betrafen31). Auf welche Weise diese Archivalien nach Prag gekommen waren, konnte nicht mehr erhoben werden. Sie gelangten durch Kauf im Jahre 1930 in das oberöster­reichische Landesarchiv. Kulturgeschichtlich von Wert sind Inventare des Ennser Kirchenamtes (1472,1474 und 1483) und Empfangs- und Ausgaben­register der Pfarrkirche St. Laurenz (1491, 1496, 1497). Diese durch Ver­mittlung eines Wilheringer Stiftsherrn 1937 vom Landesarchiv erworbenen Aktenstücke 32) geben ein aufschlußreiches Bild von den religiösen Zustän­den in Enns und dem reichen Kirchenschatz vor der Glaubensspaltung. Einen Ausschnitt aus dem Handwerksleben einer gewerbefleißigen Stadt bieten die bis 1539 zurückreichenden Zunftakten der Binder, die 1947 vom Dachboden eines alten Ennser Bürgerhauses heruntergeholt wurden. Der Ennser-Stock im Landesarchiv erfuhr eine bedeutende Vermehrung durch die Überlassung der schon früher angeführten Sammlung Petter seitens des Wiener Staatsarchivs (1929). Noch immer ist es bisher nicht möglich gewesen, einen geschichtlich sehr wertvollen Teil des Ennser Archivs, die in der Wiener Nationalbibliothek befindlichen Handschriften und Akten des Autographensammlers Latour nach Oberösterreich zurück­zubringen. Im Jahre 1919 unternahm das Landesarchiv Schritte, diese Schriften, die auch wichtige Landtagssachen enthielten, zu erwerben33). Mit Erlaß vom 25. Jänner 1920 teilte jedoch das Staatsamt für Inneres 31) Ein Inhaltsverzeichnis bei A. Horcicka, Einige Ennser Urkunden der Neuzeit. Programm des Neustädter Deutschen Staats-Obergymnasiums in Prag 1889, S. 3 ff. 32) Oberösterreichisches Landesarchiv, Amtsakten 1937, ZI. 1087. 33) Oberösterreichisches Landesarchiv, Amtsakten 1919, ZI. 65 und 130, 1920 ZI. 15 und 86, 1923 ZI. 191, 1939 ZI. 981.

Next

/
Thumbnails
Contents