Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns

446 Eduard Straßmayr wendete Landtagsakten enthielt, im Jahre 1869 in Leipzig zur Versteige­rung. Aus dem Inhaltsverzeichnis eines Auktionskataloges schöpfte der bekannte Historiker Universitätsprofessor Dr. Anton Gindely in Prag den Verdacht, daß die Schriftstücke österreichischer Herkunft aus öffentlichen Archiven gestohlen worden sein könnten. Er ließ sie durch den österreichi­schen Konsul in Leipzig beschlagnahmen und erwarb sie um eine mäßige Geldsumme für das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Die auf das Land Oberösterreich bezüglichen Schriften, darunter das 16 Schuberbände füllende Material aus dem Ennser Stadtarchiv, kamen im Jahre 1929 im Austauschwege gegen Archivalien, welche den Gesamtstaat Österreich betrafen, an das oberösterreichische Landesarchiv. Der Sammler Petter besaß auch zahlreiche Urkunden aus dem Ennser Stadtarchiv. Davon schenkte er dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg 86 bis 1369 zurückreichende Pergament- und Papierurkunden20). Auch mehrere Akten aus dem 16. und 17. Jahrhundert kamen damals in das Nürnberger Institut, wo die Ennser Archivalien heute noch verwahrt werden. Als im Jahre 1833 der oberösterreichische Musealverein seine Tätigkeit aufnahm, bezeichnete der Gründer Anton Ritter von Spaun als eine der Hauptaufgaben die Sammlung von Schriftdenkmalen* 27). Entsprechend dem Zuge der Zeit, die ihr besonderes Augenmerk der Erforschung der mittel­alterlichen Geschichte zuwandte, war das Museum bestrebt, den gefähr­deten Urkunden eine Heimstätte zu bieten. Schon frühzeitig kamen Ge­schichtsquellen dieser Gattung von den aufgehobenen Klöstern in die Obhut des Musealarchivs, das in erster Linie Stoff für die Herausgabe eines ober­österreichischen Urkundenbuches bereitstellen wollte. In jahrzehntelanger Arbeit wurden Tausende von Urkunden vor der Vernichtung gerettet28). Der Zuwachs an Archivalien erfolgte allerdings nicht durch systematische Sammlung, sondern hauptsächlich durch gelegentliche Schenkungen. Es gab ja im Lande ob der Enns noch keine amtliche Stelle für den Archivschutz. Wie den Jahresberichten des Museum Francisco Carolinum zu entneh­men ist, flössen alljährlich Urkunden und Akten, meist Bruchstücke aus organisch erwachsenen Archivbeständen, namentlich aus den weithin ver­streuten Archiven aufgehobener Klöster zu. Leider fehlte es an einem Fachreferenten, der im Rahmen musealer Betätigung Archivpflege im systematischen Aufbau betrieben hätte. Der herrschende Raummangel hinderte auch die Übernahme größerer Archivkörper. Unter den bunt zu­20) Groß, a. a. O., S. 8, Anmerkung 1. 27) Die Vereinssatzungen von 1834 sahen in der Fürsorge für die Urkunden ein wesentliches Ziel der Museumsarbeit. 28) Bei der Übergabe der Musealbestände an das oberösterreichische Landes­archiv im Jahre 1914 betrug die Urkundenzahl 5600 Stück, deren älteste bis in das 12. Jahrhundert zurückreichen. Weiters waren 600 Handschriften und 700 Schuberbände Akten vorhanden.

Next

/
Thumbnails
Contents