Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns

Das Archiv der Stadt Enns 445 Im November 1862 erwarb die Hofbibliothek von dem Wiener Antiquar Johann Schratt um den Betrag von 500 Gulden zahlreiche Archivalien, dar­unter oberösterreichische Landtagsakten (15.—18. Jahrhundert), einen Band Bauernkriegsakten (1595—1598) 19), der zum Bestand des Ennser Stadtarchivs gehört hatte, und Urkunden und Akten der Stadt Enns, die zweifellos aus der von Wangenhauser angekauften Altpapiermasse stammten. Die Latour-Sammlung teilte, wie die meisten Privatsammlungen, das Schicksal, versteigert zu werden20). Den Großteil der Ennser Akten be­sitzt heute die Wiener Nationalbibliothek, die von Antiquaren größere An­käufe in den Jahren 1862 und 1903 durchführte. Sie erwarb überdies im Jahre 1903 von dem Feuerwehrinspektor Leuchner eine Siechenhausrech- nung der Stadt Enns (1521—23) 21) und gelangte knapp vor dem ersten Weltkrieg in den Besitz einer wichtigen wirtschaftsgeschichtlichen Quelle aus der Zeit von 1393—1416, eines Verzeichnisses des Immobiliarbesitzes der Ennser Stadtbevölkerung22). Viele aus Enns stammende Stücke kamen in die Hände von Altertumshändlern. In den Jahren 1904 und 1907 bot das Antiquariat Gilhofer und Ranschburg in Wien eine Menge dem oberöster- reichischen Landesarchiv, Musealarchiv Linz und der Stadt Enns zum Kaufe an. Von dieser Firma erwarb auch die kaiserlich-russische Hof- bibliothek in Petersburg einige Ennser Archivaliein, die vor ihrer Abwan­derung nach Rußland vom Archivreferenten des Linzer Museums, Viktor Freiherm von Handel-Mazzetti abgeschrieben wurden23). Einen Akten­bestand gleicher Herkunft hat der Archivar des Deutschen Ritterordens, Beckh-Widmanstetter, vermutlich direkt aus Enns, übernommen. Er ist nach Becks Ableben wieder in andere Hände geraten24). Ein Abnehmer der im Jahre 1857 aus Enns weggebrachten Akten war auch der Autographensammler Gustav Petter (1828—1868), der einer Alt­wiener Küinstlerfamilie entstammte und zuletzt die Stelle eines niederöster­reichischen Landeskassiers bekleidete25). Nach seinem Tode kam die reich­haltige Sammlung, die viele vor Jahren aus dem Linzer Landesarchiv ent­10) Zibermayr, Landesarchiv, S. 282. 20) Mitteilung der Frau Ulrike von Latour-Thurmburg in Wien, Schwieger­tochter des Leopold von Latour, vom 29. Oktober 1907 an Primär Dr. Schicker. 21) Nationalbibliothek Wien, Handschriften-Abteilung Series nova 4084. 22) Ebenda, Series nova 2450. 23) Schriftliche Mitteilung Handel-Mazzettis vom 16. Mai 1907 an Primär Dr. Josef Schicker. Auf dem Wege über das österreichische Bundeskanzleramt richtete das Landesarchiv im Jahre 1934 eine Anfrage an die Sowjetrepublik und erhielt im folgenden Jahr von Moskau den Bescheid, daß sich in der staat­lichen öffentlichen Bibliothek von Leningrad keine Ennser Akten befänden. 24) J. Strnadt, Das Gebiet zwischen der Traun und der Enns. Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 94 (Wien 1907), S. 595. 25 ) 33. Jahresbericht des oberösterreichischen Landesarchivs. Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines, Bd. 83 (1930), S. 50 f.

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