Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns

Das Archiv der Stadt Enns 443 denkmalen ist es zuzuschreiben, daß das Ennser Stadtarchiv ein Opfer des Altpapierhandels wurde. In der Gemeinderatssitzung vom 25. September 1857 berichtete Bürgermeister Ignaz Gruber, daß der Papierdeckelmacher Josef Wangenhauser in Wien 116 Zentner (= 6500 kg) Altpapier, den Zentner zu 3 Gulden 30 Kreuzer, abgenommen und den Betrag von 406 Gul­den bar erlegt habe 14). Es ist für die damalige Bewertung der Archivalien bezeichnend, daß man die Urkunden, obwohl sie ihre rechtliche Bedeutung schon verloren hatten, sorgfältig aufbewahrte, während die Akten, die dem Strom des Verwaltungslebens bereits entrückt waren, der Papierstampfe oder dem Altertumshandel übergeben wurden. So hat der landschaftliche Registrant Georg Weishäupl15), ein eifriger Mitarbeiter am Urkundenbuch des Landes ob der Enns und Zeichner der prächtigen Wappen für die neun Foliobände umfassende Adelsmatrikel des oberösterreichischen Herren- und Ritterstandes, noch vor dem Verkauf des Ennser Stadtarchivs im Jahre 1856 die Katalogisierung der Urkunden mit gewohnter Sorgfalt durchge­führt. Es war die Zeit der emsigen Aufsammlung von Urkunden für die Erforschung der mittelalterlichen Landesgeschichte. Der im Jahre 1833 gegründete oberösterreichische Musealverein, seit dem Vormärz der geistige Mittelpunkt aller Heimatfreunde, hat dank der Mitarbeit eines Franz Kurz, Jodok Stülz und anderer Historiker, die in den Archiven nach Urkunden suchten, den wissenschaftlichen Wert dieser Geschichtsquellen in das Blick­feld der Forscher gerückt und in dem Urkundenbuch des Landes ob der Enns der Wissenschaft ein Werk von bleibender Dauer geschenkt. Seit dem Jahre 1857 haben die Ennser Archivalien eine wechselvolle Wanderung durch Antiquariate in Österreich und Deutschland angetreten, Bruchstücke ihren Weg sogar nach Petersburg genommen. Sie sind bei Autographensammlern hoch in Kurs gestanden, haben zu einem beträcht­lichen Teil eine sichere Aufbewahrung in wissenschaftlichen Instituten zu Linz, Wien und Nürnberg gefunden und werden in Einzelstücken von Alter­tumshändlern heute immer wieder zum Kaufe aingeboten. An ihre Ursprung­stätte, in das Stadtarchiv Enns, das mindestens zu 90 Prozent um den Papierpreis verschleudert wurde, sind nur wenige Akten zurückgekehrt. Unersetzliches Kulturgut ist für immer der Geschichtsforschung verloren gegangen. Es läßt sich heute nicht mehr angeben, welche Bestände als Skartpapier nach Wien gelangten. Die Urkunden sind zum weitaus überwiegenden Teil in Enns zurückgeblieben. Mit den Handschriften wurde gründlich aufge- * S. 14) Gemeinderatsprotokoll vom 25. September 1857. Bisher wurde in verschie­denen historischen Arbeiten das Jahr 1862 ohne näheren Beleg als Zeitpunkt der Aktenskartierung in Enns angegeben. is) E. Trinks, Das Urkundenbuch des Landes ob der Enns. Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines, Bd. 85 (1933), S. 614 ff. — I. Zibermayr, Das oberösterreichische Landesarchiv in Linz, 3. vermehrte Auflage (Linz 1950), S. 124.

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