Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns
Das Archiv der Stadt Enns. Von Eduard Straßmayr (Linz). Auf einer Hochterrasse, die den Einnsfluß am linken Ufer fast bis zur Einmündung in die Donau begleitet, erhebt sich die alte Grenz- und Handelsstadt Enns. Als Wahrzeichen ihrer Wehrhaftigkeit ragen noch der wuchtige, architektonisch reizvolle Stadtturm und verwitterte Mauern und Türme in die Landschaft hinaus. Nordwestlich und westlich der Siedlung erstreckt sich der klassische Boden der Römerfestung und Zivilstadt Lauriacum, deren militärische und kulturelle Bedeutung uns die Forschertätigkeit der Archäologen in den letzten fünf Jahrzehnten erschlossen hat. Dieser von der Natur reich bedachte Landstrich an der unteren Enns zog dank seiner günstigen Verkehrslage im Bereiche der Wasserwege Donau, Enns und Traun und als Einfallspforte für die Ost-West-Linie seit ein paar Jahrtausenden die Völker mächtig an. Hier siedelten schon in vorchristlicher Zeit Menschen der jüngeren Steinzeit, Veneto-Illyrier und Kelten. Als Teil des römischen Weltreiches genoß Lauriacum seit dem Beginn des dritten Jahrhunderts die Früchte einer guten Verwaltung und die Segnungen eines langen Friedens, der Wohlstand der Bevölkerung brachte. Es ist eine seltsame Fügung, daß das Ennser Stadtmuseum unter seinen wertvollen Schätzen aus der Römerzeit und dem Mittelalter Bruchstücke des Stadtrechtes von Lauriacum 212 und das Original des berühmten Stadtprivilegs von 1212 birgt. Wie die Forschungsergebnisse der jüngsten Grabungen bestätigen, welche dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch die oberösterreichische Landesregierung seit 1951 auf dem Boden der Zivilstadt durchgeführt werden, hat das wirtschaftliche und kulturelle Eigenleben in Lauriacum auch nach dem Verfall der Römerherrschaft keine Unterbrechung erfahren. Wohl bewirkte die Zerstörung der Römersiedluing durch die Awaren (um 700) einen Umzug der Bewohner in das schützende Legionslager, das aber unter dem Namen Loraha, Loriaca, während der Karolingerzeit weiter bestand und an das heute noch die Bezeichnung des Dorfes Lorch erinnert. Erst mit der Errichtung der Ennsburg, die als Bollwerk gegen die von Osten her drohenden Einfälle der Ungarn im Jahre 900 auf der die Ennsgegend beherrschenden Höhe des St.-Georgen-Berges erstand, war das alte Lauriacum dem Verfall preisgegeben. Sein Erbe trat die zum Teil aus den Quadersteinen des Römerlagers gefügte Ennsburg