Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)
44 Anna Hedwig Benna den tatsächlich unterbrochen. Dem diplomatischen Geschick Msgr. Pacellis gelang es jedoch bezüglich der Ehrenrechte einen Weg zu finden, der für beide Teile, sowohl für Serbien als auch Österreich-Ungarn gangbar war181), so daß das Konkordat am 24. Juni 1914 in Rom unterzeichnet werden konnte 182). Völlig verschieden von den Verhältnissen in Neuserbien und Neumontenegro, in denen konkordatäre Bestimmungen an die Stelle des österreichisch-ungarischen Schutzrechtes vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges traten, waren die Verhältnisse in dem unabhängigen Albanien, das nach jahrhundertelanger Türkenherrschaft nach dem Willen der Großmächte zur Eigenstaatlichkeit zurückkehren sollte 183). Österreich-Ungarn war nun bestrebt, sein Kultusprotektorat auch in einem unabhängigen Albanien aufrecht zu erhalten184). Der italienische Bundesgenosse und Rivale ließ jedoch kein Mittel unversucht, um dieses alte Recht Österreich- Ungarns zu entwerten. Die Verhandlungen von 1902/03 über die Abgrenzung von Interessensphären waren seinerzeit ergebnislos abgebrochen worden185), Österreich-Ungarn wehrte sich bei den Beratungen über das Albanienstatut dagegen, die Regelung seiner Protektoratsrechte einer internationalen Kommission, welche für die albanesische Justizreform eingesetzt wurde, zu überlassen 186). Berchtold hoffte, eine Lösung dieser Frage werde eher als vor zehn Jahren möglich sein und Italien könnte zur Anerkennung des österreichisch-ungarischen Kultusprotektorates veranlaßt werden 187). Die italienische Regierung bedauerte jedoch ihre Zustimmung zur Aufnahme der Bestimmungen über das religiöse Protektorat in das Albanienstatut nicht erteilen zu können, da an Stelle der türkischen Herrschaft in Albanien die Gleichberechtigung der Konfessionen getreten war188). Marchese di San Giuliano legte der österreichisch-ungarischen Regierung nahe, diese Frage von der Londoner Botschafterreunion abzusetzen und sie im Wege eines accord zwischen Italien und Österreich-Ungarn zu entscheiden189). Eine Möglichkeit zur Überbrückung der Divergenz in den Auffassungen Österreich-Ungarns und Italiens bestand für Berchtold nur darin, 181) Ebenda, Telegr. Schönburg, Rom V, 45, 1914 Juni 20. 182) Ebenda, Telegr. Schönburg, Rom V, 48, 1914 Juni 25. 183) Vgl. E. v. Steinitz, Berchtolds Albanienpolitik, Berliner Monatshefte 12 (1932), 153, 155, 162—164, 166. L. Loose, Die völkerrechtlichen und politischen Beziehungen Albaniens zu Italien und die Frage seiner Unabhängigkeit (1936), S. 2, 3. J. Swire, Albania. The rise of a kingdom (1927) war mir nicht zugänglich, 184) PA XII, 272. Liasse Türkei XXXIV/11. Telegr. an Merey (Rom Q), 113, 1913 Jänner 24. 185) Vgl. oben, S. 31. 188) Vgl. oben Anm. 156. 187) Ebenda, Weisung an Merey (Rom Q), 1913 März 29. 188) Ebenda, Verbalnote des italienischen Ministeriums des Äußeren empfangen von der österreichisch-ungarischen Botschaft, 1913 Jänner 27. m) Ebenda, Bericht Merey, Rom Q, 15, 1913 Februar 23.