Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741
392 Oskar Regele essante, daß von ihrem Erfolg nicht allein das Schicksal von Schlesien, sondern die ganze folgende Größe der preußischen Staaten abhing.“ Die „Neue militärische Zeitschrift“ von 1813 bezeichnet die Schlacht nächst jener von Pultawa als die bedeutendste des 18. Jahrhunderts und H. Kretschmayr meint: bedeutete der Verlust (der Schlacht) nichts weniger, als daß nun alle bislang zugunsten Österreichs spielenden Kräfte sich lockerten und lösten, alle ihm feindlichen Verbindungen sich nun dichter schlossen .. . Mollwitz wurde zum Geburtstag einer gegen das Haus Österreich verderbenbringend sich aufbauenden großen Allianz“ 67). In der Tat standen nun neben Preußen: Spanien, Frankreich, Bayern, Neapel-Sizilien, England uind Polen irgendwie gegen das Habsburgerreich. Zum Verständnis der Schlacht ist die Kenntnis ihrer Vorgeschichte unerläßlich. Prinz Eugen soll einmal gesagt haben, die Pragmatische Sanktion lasse sich nur mit 180.000 Mann und mit Geld, nicht aber mit Traktaten aufrechterhalten57 58). Wie immer sich der Prinz geäußert haben mag, der in diese überlieferten Worte gekleidete Gedanke war jedenfalls richtig und auch Friedrich II. pflichtete ihm mit den Worten bei: „Statt daß diese (österreichische) Armee 175.000 Mann betragen sollte, belief sich der tatsächliche Stand auf kaum 82.000 Mann“ 59). Am 10. 11. 1739 fehlten auf den Sollstand von 184.000 Mainn und 43.563 Pferden nicht weniger als 43.486 Mann und 7613 Pferde60). 1740 bezifferte sich das Heer auf nur 107.892 statt auf 157.082 Mann, es fehlten daher 49.190 Mann. Preußen stellte von 2,25 Millionen Einwohnern 3,7 Prozent ins Feld, hievon 1 Prozent in Schlesien; Österreich mit 20 Millionen brachte es bloß auf 0,53 Prozent, hievon 0,08 Prozent in Schlesien61). Die Truppen verteilten sich auf die Niederlande, die Lombardei, auf den Banat, Siebenbürgen, Toskana, Slawonien und Ungarn, alle übrigen Reichsteile waren praktisch von Truppen entblößt. Böhmen hatte überhaupt keine Befestigungen, Schlesien war ohne Garnisonen, unter den 900 Mann von Groß-Glogau gab es nur 18 Kanoniere, der Jablunkapaß hatte eine unbenützbare Schanze, die mit 100 Rekruten besetzt war82). In Böhmen, der gegebenen Etappe für den Krieg, fehlte es an Artillerie und Munition, die Magazine waren nicht vorschriftsgemäß gefüllt, Bauern, Bürger und Invalide mußten bewaffnet werden, da es an ausgebildeten Soldaten mangelte und Vorspänne waren kaum aufzutreiben. 57) „Maria Theresia“, Wien, 1938/40, S. 41. 58) Nach L. v. Wetzer ist dieser (auch von Friedrich II. zitierte) Ausspruch nicht nachweisbar. („Österreichischer Erbfolgekrieg 1740—1748“, Bd. 1/1, S. 55). 50) „Histoire de mon temps“, I. Bd., S. 7. 60) Browne, a. a. O., Beilagen 1739, B.B.B.B. 81) K. Duncker „Die Invasion Schlesiens durch die kgl. preuß. Truppen im Monate Dezember 1740“ in „Mitteilungen des k. k. Kriegsarchivs“ 1885. — Der „Österr. Erbfolgekrieg 1740—1748“ geht von anderen Sollständen aus und gelangt zu einem Abgang von nur 34.000 Mann. 82) K.A. „Kriegschronik Österreich-Ungarns“, Wien 1885, S. 47.