Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741
Die Schuld des Grafen Neipperg am Belgrader Frieden 391 Grenzen und es ist nicht auszudenken, wie sich das Jahr 1740 gestaltete hätte, wenn der Türkenkrieg seinen Fortgang genommen hätte. Der Friede war ein sogenannter Aufhalte- oder ein Verzicht-Friede — ganz ähnlich dem Frieden von Vasvár (Eisenstadt) nach dem Siege bei St. Gotthard 1664, den die Nachwelt ebenfalls scharfer Kritik unterzogen hat. 1664 waren aber ähnlich triftige Gründe zum Nachgeben vorhanden wie 1739, verständlich jedoch nur jenem, der weit über den Kriegsschauplatz hinauszusehen imstande ist und zu begreifen vermag, daß unter Umständen ein schlechter Friede besser ist als ein fortgesetzter Krieg. III. Das zweite große Mißgeschick in Neippergs Laufbahn war die Schlacht bei Mollwitz am 10. 4. 1741. Im allgemeinen liebt man es, Siege und Niederlagen in ihrer Bewertung zu schabionisieren, Siege sind eben ruhmreich und Niederlagen schmählich und damit auch die Sieger oder die Besiegten. Der Historiker muß jedoch jedes Ereignis hinsichtlich der Personen individualisieren, gleichzeitig in das Gefüge der gesamten zugehörigen Epoche einpassen, um ein ungerechtes Urteil zu vermeiden. So muß auch jede Schlacht sowohl als reim militärischer Vorgang für sich wie auch als politische Phase einer Entwicklung klassifiziert werden, im ersteren Falle kommt es dann vorzüglich darauf an, den Feldherrn in seinem Erfolg nach den bestandenen Möglichkeiten zu messen. Berichte aus Berlin, so vom 15. 4. 1741 53) betonten, Mollwitz wäre keine Entscheidung gewesen und man erwarte diese von einer endgültigen Schlacht. Clausewitz54) sah die Schlacht rein militärisch nicht viel anders: „1741 überfällt Neipperg den König in seinen Quartieren, der ganze Erfolg besteht aber nur darin, daß der König ihm mit nicht ganz vereinigten Kräften und in verkehrter Front die Schlacht von Mollwitz liefern muß.“ Das Kriegsarchiv Wien55) bemerkt: „Im Allgemeinen erscheint der Erfolg der am 10. April 1741 ausgekämpften Schlacht für König Friedrich II. von Preußen militärisch wenig belangreich.“ Ganz anders lautet die politische Bewertung dieses Waffenganges. Ein österreichischer Sieg wäre in jenen Tagen von weittragender Bedeutung gewesen, da F r i e d r i c h II. damals als Feldherr noch ein unbeschriebenes Blatt war; er hatte sich durch den Überfall ohne Kriegserklärung schwer ins Unrecht gesetzt, eine Niederlage hätte seinem Angriff ein jähes Ende bereitet und wahrscheinlich Europa vor einem langen Krieg bewahrt. „Die Bataille von Mollwitz hat — nach I. G. Hoyer56) —das selten Inter63) K.A., Feldakten — 1741 — 13 —10/2. 54) „Vom Kriege.“ 16. Auflage, Bonn 1952, S. 824. 55) K.A. „Österreichischer Erbfolgekrieg 1740—1748“, Wien 1896, II. Bd., S. 253. 5«) „Neues mil. Magazin“, Leipzig, 1805, III — 6.