Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741

Die Schuld des Grafen Neipperg am Belgrader Frieden 381 Schlüsse.“ Ganz ähnlich sagt Hugo Hantsch22), daß „Kopflosigkeit der vom Kaiser beauftragten Diplomaten die Umstände herbeigeführt, die den unter parteiischer Vermittlung Frankreichs geschlossenen Frieden von Belgrad zur Folge hatten.“ Wir werden noch auf die militärische Seite des ganzen Problems ein- gehen müssen, da man dieser bisher zu wenig Beachtung geschenkt hat. Hier wäre aber schon festzuhalten, daß in den letzten Regierungsjahren des Kaisers Karl VI., besonders seit dem 1736 erfolgten Tode des Prinzen Eugen, das ganze Gefüge des Reiches stark gelockert war, wie es auch der „österreichische Erbfolgekrieg 1740—1748“ 23) vermerkt: „Die Vor­würfe gegen den sonst persönlich makellosen ,treuen und in seiner Ehre so schwer gekränkten Neipperg, an dem die Dankbarkeit seines hohen Zög­lings eben gutzumachen trachtete, was an ihm verschuldet worden war, scheinen zum guten Teil wohl auch nur ein Ergebnis jener allgemeinen Uneinigkeit und Zerfahrenheit gewesen zu sein, in denen Carl VI. den Staat und die Regierung hinterlassen hatte ...“ Weiters lesen wir im Archivwerk über Neipperg, „dem man das Ergebnis des unglücklichen Türkenkrieges unverdienter Weise zumeist in die Schuhe schob“, ferner, daß er auch den Krieg gegen Preußen widerraten habe. Von Feldmarschall Graf Wallis bleibt in diesem Zusammenhänge zu sagen, daß er vor allem durch seine militärische Führung eine Lage ge­schaffen hat, die sozusagen aussichtslos war und daß er auch den diplo­matischen Teil seiner Geschäfte bis zur Bevollmächtigung seines Nachfol­gers unvorteilhaft besorgt hat. Der Friedensschluß erregte in aller Welt größtes Aufsehen. L a u g i e r nennt ihn „eines der gewaltsamsten Ereignisse des Jahrhunderts“, H. Übersberger spricht von einem Frieden, „wie ihn schimpflicher die österreichische Geschichte nicht kennt“ 24). In der Tat verlor Österreich fast alle Errungenschaften des Passarowitzer Friedens und es mußte fortab seine Vormachtstellung am Balkan mit Rußland teilen. Der Friedensschluß erschien manchen Historikern so außergewöhnlich, daß sie u. a. keine andere Erklärung fanden als Unerfahrenheit oder Verrat25). Und doch verhielt es sich wesentlich einfacher. Die in Wien am 3. September, also noch vor Kenntnis des Friedens­schlusses, abgehaltene Konferenz 26) war sich darüber einig, daß seit der Niederlage bei Grozka die Friedensinitiative an die Pforte übergegangen war, daß Österreich seine Beziehungen zu Rußland und Frankreich zu be­22) „Die Geschichte Österreichs“, Graz—Wien 1950, 2. Bd., S. 132. 23) Kriegsarchiv Wien, 1896, Bd. I., S. 901 f. 24) „Rußlands Orientpolitik in den letzten zwei Jahrhunderten.“ — Stuttgart 1913. — I. Bd., S. 235. 25) F. Schöll: „Histoire abrégée des Traités de paix“, Paris 1818. 28) Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Konferenzprotokoll (87) vom 3. 9. 1739.

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