Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741
380 Oskar Regele Ereignis auf die Generale und eigenen Unterhändler, und dem Vermittler, gegen den sich zunächst auch die nach Mirepoix’ Urteil noch von alten Vorurteilen beeinflußte Volksstimmung in Wien gewandt hatte, stellte man eine Art Ehrenerklärung aus, ja man stimmte Fleury zu, wenn er in seinen Briefen an den Kaiser Villeneuve, der auf Grund ungenügender Information von österreichischer Seite Besseres nicht erreicht, jedenfalls aber noch Schlimmeres verhütet habe, hohes Lob spendete.“ Der allseitigen Gewandtheit Villeneuves entsprach es auch vollkommen, daß er nach dem Friedensschluß Neipperg anerkennende Worte für dessen Haltung während der Verhandlungen zollte. Der Hofkanzler Philipp Ludwig Graf zu Sinzendorf war der Wiener diplomatische Partner Villeneuves. Ihn charakterisierte jenes Schwanken zwischen Verhandeln, Säbelrassen und tatsächlicher Kriegführung, das entscheidende Schläge nicht zuließ und das die militärische Führung unsicher machte. Die notwendige Harmonie mit dem Verbündeten wurde nicht erzielt, die am Kongreß in Nemirow bestandenen Möglichkeiten eines noch annehmbaren Friedensschlusses wurden nicht genützt. Der diplomatische Apparat war nicht so eingespielt, als daß unliebsame Zwischenfälle ausgeschaltet gewesen wären. So korrespondierte der Hof mit einzelnen Generalen, ohne daß hievon der Oberbefehlshaber Graf Wallis Kenntnis erhielt, sodaß es u. a. zu einer schweren Verstimmung Schmettaus kam19). Neipperg war, als es um das Ganze ging, weder richtig im Bild noch mit einer zweckentsprechenden Vollmacht ausgerüstet, die Art seiner Bestellung zum Friedensunterhändler hatte wieder Wallis verletzt. Wenn der Hofkriegsrat beim Studium des Vertragsinstrumentes feststellte: „Allein zwischen dem Lateinischen und Türkischen ist absolute gar keine Gleichheit zu finden“ 20), läßt das auch darauf schließen, daß die nötigen Vorsorgen für einwandfreien Gebrauch der Fremdsprachen nicht getroffen waren. Sinzendorf hatte bekanntlich zu einer Zeit, als es für die österreichischen Waffen nicht Schlecht stand, Villeneuve noch vor Eröffnung des Feldzuges von 1739 bevollmächtigt, den Türken weitgehende Gebietsabtretungen anzubieten; nunmehr konnte niemand von der Pforte Zurückhaltung erwarten, seit Wallis bei Grozka geschlagen und dadurch die ganze Armee in eine fatale strategische Lage gebracht war. Derselbe Sinzendorf drängte auf rasche Verhandlungen und zum Frieden, es konnte daher Oswald Redlich21) mit Recht behaupten: „Denn dem Versagen des Feldherrn ging noch ein schlimmeres Versagen der Diplomaten zur Seite. Beides führte zu einem schmählichen Friedens19) M. de Keralio: „Histoire de la guerre des Russes et des Impériaux contre les Turcs en 1736, 1737 et 1739, et de la paix de Belgrade, qui la termina. — Paris 1788. — 2. Bd., S. 200. 20) K.A. — H.K.R. — 1739 — Sept. — 726. 21) a. a. O., S. 286.