Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)

Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien 31 Deutschland und Italien trachteten mit allen Mitteln darnach, den Schutz über Geistliche deutscher oder italienischer Staatsangehörigkeit, bzw. den Schutz über ganze geistliche Niederlassungen zu erreichen. Die deutsche Regierung führte anläßlich der straf gerichtlichen Verfolgung griechischer Mönche, welche am 4. November 1901 eine Anzahl Franziskaner deutscher, österreichisch-ungarischer, russischer und französischer Nationalität vor der Grabeskirche in Jerusalem angegriffen hatten, aus, sie habe den deutschen Franziskanern ihren Schutz angedeihen lassen und könne daher diese Pflicht mit keiner anderen Macht teilen; demzufolge könne sie keine fran­zösische konsularische Assistenz zulassen. Die italienische Regierung folgte dem deutschen Beispiel und erreichte bei der Pforte, daß die Ladung zum Zeugenverhör ohne französische Assistenz erfolgte, obwohl die französische Botschaft bei der Pforte protestierte. Trotzdem erhielten sowohl Deutsch­land 98) als auch Italien97) von der Pforte eine Zusicherung ihres Schutz­rechtes über Geistliche ihrer Nationalität. Den Wert dieser Zugeständnisse schätzte Calice nicht übertrieben hoch ein. Die Pforte erleide aus ihrer Nachgiebigkeit gegenüber Deutschland und Italien keinerlei Nachteile; die Auflösung des Schutzrechtes einer Macht zugunsten der vertragsmäßigen Berechtigung aller Mächte zur Vertretung ihrer eigenen Untertanen könne der Pforte nur erwünscht sein. Calice erblickte im Hinblick darauf, daß er dieses Zugeständnis nur als Vertretung der rein persönlichen Sphäre der Geistlichen und nicht als ein Protektorat über geistliche Anstalten inter­pretierte, keine wesentliche Gefährdung österreichisch-ungarischer Inter­essen. Außerdem wäre bei einer ernstlichen Bedrohung der Schutzrechte Österreich-Ungarns und Frankreichs eine gemeinsame politische Aktion der beiden in ihren Interessen bedrohten Mächte zu erwarten98). Rampolla nahm in dieser Frage den Standpunkt der Aufrechterhaltung des status quo ein und versicherte Szecsen, die katholischen Ordensniederlassungen in Palästina seien in diesem Sinne bereits unterrichtet worden. An sich könne der Heilige Stuhl, führte der Kardinalstaatssekretär weiter aus, keine Regierung daran hindern, sich ihrer Staatsangehörigen anzunehmen, müsse aber doch, was die Ausübung des Schutzrechtes über die katholi­schen Interessen im Orient betrifft, an dem althergebrachten Usus fest- halten, da Neuerungen in dieser Hinsicht der katholischen Kirche kaum zum Vorteil gereichten99). Da Frankreich durch seinen Botschafter in Konstantinopel gegen die Deutschland gewährten Zugeständnisse in der Protektoratsfrage protestierte, ersuchte die deutsche Regierung ihren Bun­desgenossen, falls von Seiten Frankreichs oder des Vatikans an Österreich- Ungarn um Einnahme eines den französischen Ansprüchen günstigen Standpunktes herangetreten würde, um eine entschiedene Zurückhaltung 98) Ebenda, Bericht Szögyeny, Berlin 21 A—D, 1902 Mai 22. 97) Ebenda, Bericht Szecsen, Rom V, 18, 1902 Mai 20. 9S) Ebenda, Bericht Calice, 31 G, 1902 Juni 18. ") Ebenda, Bericht Szecsen, Rom V, 18, 1902 Mai 20.

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