Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)
NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich
Rezensionen 511 Der Übergang zur Neuzeit ist dem Verf. etwas zu knapp geraten (besonders unangenehm S. 93 der Sprung vonWiclif zu Machiavelli). Im Mittelpunkt der Darstellung steht nun die spanische Lehre, vor allem Francisco de Vitoria, dessen Bedeutung St. auch gegenüber den späteren (Grotius u. a.) hervorzuheben sucht. Bei den Erörterungen über die spanisch-portugiesische Demarkationslinie von 1493 (S. 104 ff.) hätte der Ausdruck „Raya“ erwähnt und erklärt werden müssen. Ebenso fehlt später im 18. Jahrhundert der Hinweis auf die englisch-französischen Amity-lines. Relativ zu kurz kommt auch der westfälische Friedenskongreß. Hier muß allerdings zugegeben werden, daß die Quellen zu dieser ersten großen internationalen Konferenz, deren Verhandlungen und Ergebnisse für das klassische Völkerrecht eine eminente Bedeutung erlangten, bisher nur ungenügend erschlossen sind; hier harrt der historischen Forschung eine große Aufgabe, die nur im europäischen Rahmen zu lösen ist. Auch über das besondere völkerrechtliche Verhältnis der europäischen Staaten und namentlich Österreichs zum osmanischen Reich hätte gerade von einem Spezialisten für Südostfragen mehr erwartet werden können. Was St. etwa über die Kapitulationen zu sagen weiß, ist weniger als dürftig. Überhaupt scheinen mir die Abschnitte über die neuere Zeit, trotz Berücksichtigung des Moskauer Staates, des internationalen Privatrechtes usw., gegenüber den mittelalterlichen zu knapp ausgefallen zu sein. Es ist zu hoffen, daß der 2. Band, der kaum ein Jahrhundert (bis 1907) umfassen soll, mehr zu bieten hat. Das Zeitalter der Aufklärung wird vom Verf. durchaus positiv bewertet, es bildet in seinen bleibenden Leistungen, z. B. in der Humanisierung der Kriegsführung, den Auftakt zu den großen Fortschritten des 19. Jahrhunderts. Während der Völkerbundplan des Abbé St. Pierre sehr ausführlich behandelt wird, fanden die verwandten, aber doch selbständigen Ideen Kants nur kurze Erwähnung. S. 171 hätte das Zitat Fichtes über die österreichische Kriegführung eines berichtigenden Kommentars bedurft. Der Band schließt mit dem Wiener Kongreß und einem kurzen Hinweis auf den Kongreß von Aachen (1818). Dabei macht sich des Verf. Unkenntnis der Arbeiten von Elbe und besonders von J. Karl Mayr (S. 179, bei der Einteilung der Kommissionen) störend bemerkbar. Die Gliederung des Buches ist übersichtlich, am Beginn der meist knappen Kapitel befinden sich kurze Hinweise auf die Literatur, oft auch Bemerkungen zur Quellenkunde. Lediglich das 20. Kapitel (Zeitalter der französischen Vorherrschaft 1635—1789) mit seinen zahlreichen Unterabschnitten erscheint unverhältnismäßig aufgebläht, aus nicht ganz erfindlichen Gründen, da sich diese Periodisierung gerade vom Gesichtspunkt des Völkerrechtes aus nicht ganz vertreten läßt. Das Schrifttum ist sehr umfangreich und läßt nur wenige Wünsche (etwa über das Zeitalter der Entdeckungen, oder hinsichtlich eines Teils der in den letzten Kriegsjahren erschienen Arbeiten) offen. Auch ausländische Literatur ist verzeichnet; für den 2. Teil wird es sich empfehlen, noch mehr angelsächsische Zeitschriften heranzuziehen. Die Kartenskizzen und ein ausführliches Register erleichtern den Gebrauch des Buches.