Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

SANTIFALLER, Leo: Über die Urkunde für das Breslauer St. Vinzenz-Stift vom Jahre 1139–1149

24 Leo S antifaller an den Rand geschriebene IX° zur Verfügung; wohl aber kann festgestellt werden, daß diese Art der 1X° also die Form der Subtraktion, nicht nur in der Zeit Liebentals überhaupt möglich ist, sondern daß sie Liebental selbst sowohl in der Matricula wie auch in der Matrica regelmäßig ver­wendet21). Doch davon abgesehen, müssen wir uns daher, soweit die äuße­ren Merkmale in Frage kommen, auf die Untersuchung der Tinte be­schränken; wir müssen also versuchen festzustellen, ob die für die Ver­besserungen verwendete Tinte dieselbe Tinte ist, mit der der übrige Text geschrieben wurde, bzw. ob die Tinte der Zeit Liebentals angehört, oder ob sie aus späterer Zeit stammt. Auf Grund eigenen Augenscheines kann man der Feststellung Górkas, daß wir es beim vierten Strich im Matrica­text mit derselben, wenn auch reichlicher aufgetragenen und daher dunk­ler erscheinenden Tinte zu tun haben, die den übrigen Text geschrieben hat, voll zustimmen; und auch darin hat Górka recht, daß man Beispiele ähnlicher dunklerer Auftragung (einzelner (Buühstabenstriche in jeder Zeile der Matrica antrifft. In der Matricula kann man hinsichtlich der Tinte ähnliche Beobachtungen machen: die Tilgungsstriche im Worte octauo sind mit der dunkleren Tinte gezogen, ähnlich wie der nachgetra­gene Strich in der Matrica, während die 1X° am Bande mit etwas dünnerer, blässerer Tinte geschrieben ist; auch in den übrigen Teilen der Matricula ist dieser Wechsel zwischen dünneren Tinten und reichlicher aufgetragenen Stellen ähnlich wie in der Matrica immer wieder zu beobachten22), so daß wir es also mit einem beiden Kopialbüchern gemeinsamen Merkmale zu tun haben. Es handelt sich hier aber um nichts anderes als um mehr oder weniger bei jedem mit Hilfe von Tinte und Feder ausgeführten Schrift­werk zu beobachtende Vorgänge, nämlich einerseits um das Schreiben mit der frisch eingetauchten und dann mit der allmählich dünner werdenden und schließlich ausgeschriebenen Feder und andererseits um verschiedene teils dichtere, teils wässerigere Mischungen derselben Tintenart. Es erschien mir nun sowohl für den vorliegenden Einzelfall wie auch allgemein wertvoll, diese auf Grund des Augenscheines gemachten Beob­achtungen womöglich durch eine physikalisch-chemische Untersuchung zu ergänzen und exakter zu gestalten. Auf meine Bitte hat sich nun der Direktor des Breslauer Universitäts-Institutes für gerichtliche Medizin und naturwissenschaftliche Kriminalistik die Mühe genommen, diese beiden Verbesserungen in seinem Institut einer Untersuchung zu unterziehen, wofür ihm auch an dieser Stelle der wärmste Dank ausgesprochen sei. Eine chemische Untersuchung der Tinte war nicht möglich, weil dadurch die 21) Diese Form der IX findet sich sowohl innerhalb der Texte wie auch in Überschriften und im Register, z. B. Matricula fol. 3v, 21'% 22'~ usw., Matrica I fol. 146r, 147'% 159 usw. Die Verbesserung in der Matrica in der Form der Addition wurde zweifellos wegen der vereinfachten Form des Einschubes — nicht als Randnotiz! —• gewählt. — Die Zahl vier dagegen wird noch regel­mäßig in der Additionsform geschrieben, also mit vier Strichen IIII. 22) Besonders auffallend z. B. in der zweiten Hälfte der Matricula fol. 227* ff.

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