Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

SANTIFALLER, Leo: Über die Urkunde für das Breslauer St. Vinzenz-Stift vom Jahre 1139–1149

Über die Urkunde für das Breslauer St. Vinzenzstift 25 Schrift beschädigt worden wäre. Bei der photochemischen Untersuchung mit verschiedenstem Plattenmaterial und mit verschiedensten Filtern er­gaben sich keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem Randvermerk 1X° und den helleren Stellen im Text der Matricula; die doppelte Durch­streichung des Wortes octauo ähinelt in ihrem Farbwert den dunkleren Textstellen; und ebenso verhält es sich mit dem nachgetragenen Strich in der Matrica, denn auch da ergaben sich keine grundsätzlichen Unter­schiede zwischen der ursprünglichen Schrift und den Verbesserungen23). Die visuelle und die photochemische Untersuchung haben demnach das­selbe Ergebnis gezeitigt und machen es daher im höchsten Grade wahr­scheinlich, daß sowohl für die Herstellung der Kopialbücher wie auch für die Anbringung der Verbesserungen ein- und dieselbe Tinte verwendet worden ist; mit anderen Worten: der Annahme, daß Liebental selbst diese Verbesserungen alsbald nach der Fertigstellung der Abschriften angebracht hätte, steht von Seite der äußeren Merkmale nichts mehr im Wege — im Gegenteil, sie wird durch diese Untersuchungen durchaus unterstützt. Eine weitere Bestätigung dieser Annahme ergibt folgende Feststel­lung: die Abschrift F unserer Vinzenzurkunde24) stammt aus der Zeit um 1500 und wurde sehr wahrscheinlich vom Breslauer Stadtschreiber Gregor Morenberg (1480—1580) angefertigt25 *). Textvergleich und Über­schrift zeigen, daß die Abschrift auf Grund der Matricula angefertigt wurde. Als Jahreszahl aber steht in F bereits 1149 und zwar ohne jede Korrektur; daher muß zur Zeit, als F angefertigt wurde, die Korrektur in der Matricula bereits gestanden haben; die Herstellungszeit von F aber ist c. 1500, also die Zeit, in der Liebental nicht nur noch lebte (gestorben c. 1516) 2fl), sondern sogar an seinem zweiten Kopialbuch der Matrica (fertiggestellt c. 1506—c. 1507) arbeitete. Wenn daher in dieser Zeit in der Matricula eine Korrektur angebracht wurde, dann erscheint es kaum denk­bar, daß irgendwer anderer als Liebental selbst der Korrektor gewesen sein könnte. Der Zweck der Verbesserungen aber kann offensichtlich kein anderer sein, als der, einen Abschreibefehler richtigzustellen. Irgendwelche Fäl­schungsabsichten kommen nicht in Frage, denn welchen Sinn sollte wohl um 1500 diese an sich geringfügige Veränderung der Jahreszahl und noch dazu eine Verminderung derselben gehabt haben? 2S) Schreiben des Institutsdirektors Nr. 891/42 (Dr. B. 1723) vom 14. August 1942. 24) Siehe unten S. 28. 25) Siehe unten S. 28; über Morenberg vgl. Cod. Dipl. Siles. XI: Breslauer Stadtbuch hrsg. von Markgraf und Frenzei, Breslau 1882; Weiss, Geschichte von Breslau; Santifaller, Liebentals Kopialbücher S. 15. Eine noch ge­nauere Bestimmung der Entstehungszeit von F ließe sich voraussichtlich auf Grund eines sehr eingehenden Schriftvergleiches von F mit den sicherlich sehr zahlreichen handschriftlichen Aufzeichnungen des Stadtschreibers Morenberg erzielen. 26) Vgi. Santifaller, Nikolaus Liebental S. 19.

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