Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)
SANTIFALLER, Leo: Über die Urkunde für das Breslauer St. Vinzenz-Stift vom Jahre 1139–1149
Über die Urkunde für das Breslauer St. Vinzenzstift 23 heren Autoren, beim Jahre 1149. Die folgenden Forscher Piekosinski, Schulte und Górka entscheiden sich wie Grünhagen für das Jahr 1149, erklären aber den Sachverhalt sehr verschieden. Piekosinski15) nimmt vermutlich auf Grund des Augenscheines an, „daß später irgendeine spätere Hand mit schwarzer Tinte noch einen Strich hinzufügte und aus dem Jahre 1148 das Jahr 1149 machte“. Schulte16) scheint wohl das Problem zu kennen, geht aber, weil er die Urkunde für zweifellos unecht hält, nicht weiter auf die Frage ein. Gorka17) aber erklärt den paläographischen Befund Grünhagens für nicht richtig, stellt das Vorhandensein der Verbesserung überhaupt in Abrede und hält den vierten Strich für ursprünglich; der letzte Strich wäre seiner Meinung nach durchaus nicht mit anderer Tinte hinzugefügt, denn die zweifellos etwas dunklere Farbe sei lediglich die Folge reichlicher aufgetragener Tinte — Beispiele ähnlicher dunklerer Auftragung einzelner Buchstabenstriche wären in jeder Zeile des Kopialbuches anzutreffen; im übrigen ließen sich auch keinerlei Gründe für eine derartige Verbesserung nachweisen. Funke18) dagegen nimmt das Jahr 1148 an und bemerkt, daß der mit schwärzerer Tinte nachgetragene Strich insbesondere bei Überlieferung durch ein Kopialbuch kein Grund gegen die Echtheit sei. Seither hat sich nur noch Budkowa 19) mit der Frage der Verbesserungen befaßt, doch beschränkt sie sich auf eine kurze Berichterstattung ohne eigene Beobachtung und ohne selbständige Stellungnahme; auch sie hält an der Jahreszahl 1149 fest. Zusammenfassend aber ergibt sich, daß sämtliche bisherigen Forscher, so weit sie überhaupt die Überlieferung durch eigenen Augenschein kennengelernt haben, stets nur von einem einzigen Schriftstück und von einem Strich bzw. von einem nachgetragenen Strich sprechen; sie haben daher nur die Matrica und nicht auch die Matricula eingesehen und daher ist ihnen das sowohl für die Einzel- wie auch für die Gesamtbeurteilung nicht unwichtige Kriterium des Vorhandenseins der Korrektur in beiden Liebental- schen Kopialbüchern und außerdem die ausführlichere Korrektur in der Matricula entgangen. Im übrigen haben sich, abgesehen vom Görlich und Funke, alle Autoren für die Jahreszahl 1149 entschieden. Das Vorhandensein der Verbesserungen steht entgegen der Meinung Górkas auf Grund des oben 20) dargelegten Sachverhaltes einwandfrei fest. Die Methode des Schriftvergleiches zum Zwecke der Feststellung, ob die Verbesserungen von Liebental selbst herrühren oder erst später und von anderer Hand angebracht wurden, läßt sich aus Materialmangel nicht am- wenden — es steht ja lediglich die als Nachtrag verhältnismäßig flüchtig 15) Piekosinski, Studya 1897, S. 73. 16) Schulte, Stiftungsurkunde (Schles. Zeitschr. 37, 1903) S. 299. 17) Górka, Przyczynki (Kwart. hist. 25) S. 392. 1S) Funke, Regesten von Lebus (Monatsblatt für Heimatkunde von Brandenburg 24) S. 195 n. 4. 19) Budkowa, Repertorjum S. 54 n. 49. 20) Siehe oben S. 22.