Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)
BENNA, Anna Hedwig: Organisierung und Personalstand der Polizeihofstelle (1793–1848)
212 Anna Hedwig Benna Stieber nahm stillschweigend an, der Kaiser werde der n.-ö. Regierung und vor allem dem Vizepräsidenten die Beaufsichtigung der Wiener Polizeidirektion zuweisen, womit Pergens Ministerialbüro gewaltig an Einfluß verlieren mußte. Die von Leopold geplante Umgestaltung der Polizei wurde zu einem die ganze Öffentlichkeit bewegenden Ereignis82). Inmitten dieser Intrigen, umgeben von einer Schar von Feinden, tat Pergen das einzig mögliche, er suchte verbittert und resigniert um seine Enthebung von der Leitung der Polizei und der Aufsicht über die Gefangenenhäuser an. Dieser Bitte entsprach der Kaiser in einem Handbillet vom 8. März 1791 an den Obersten Kanzler Kollowrat83). Die unter Leopold II. reformierte öffentliche Polizei brachte in manchen Belangen Anknüpfen an Einrichtungen aus der Zeit Maria Theresias, vor allem die Einsetzung bürgerlicher Unterkommissäre84). Neu war einzig und allein die Einbeziehung des Sanitätswesens in den Aufgabenkreis der Polizei. In jedem Bezirk wurden ein Bezirksarzt, ein Wundarzt und eine Hebamme angestellt85). Die Stellung der Bezirksdirektoren gegenüber der Oberdirektion erfuhr eine Stärkung, die frühere Abhängigkeit wich einer Nebenordnung. Wie Grossing86) in einem Memorandum an den Kaiser ausführte, sei zu Josefs II. Zeiten die öffentliche Polizei mit den von geheimen Aufgaben überlasteten Beamten nachlässig besorgt worden, die Wiener riefen daher nach einer ordentlichen Stadtpolizei87). Grossing verhehlte dem Kaiser auch nicht die Mißstimmung in den Hofstellen, 82) KFA Fz. 150. Memorandum Grossingers 1791 Oktober 30 ... Es dürft eurer mejestät vor allen andern zur höchsten Wissenschaft dienen, dass die ganze residenzstadt jeden Standes sehr aufmerksam gemacht wurde, da man allgemein behauptete, der plan zur neu zu errichtenden polizey seye eurer majestät selbsteigenes werk und erfindung gewesen. Diese allgemeine rede verursachte ver- schiednen Sensationen bey dem höheren adel sowohl als bey dem gemeinen manne. Man fieng an für das allgemeine vieles gutes, andern theils auch vieles unangenehmes sich vorzubilden ... 8D STR 1224/1791, OEZ I 1/2, S. 6. OEZ 11/1/2, S. 94. Walter, a. a. 0., S. 52, Oberhummer 1, 59, Benna, a. a. O., S. 121, 173. 84) Dazu Oberhummer 1, 59, 60. Benna, a. a. O., S. 125, 174 f. 85) ST R 1757/1792. Österreich Staat Fz. 6. Plan der Verfassung der Polizey. Polizeiverfassung für Wien (1791 November 1), Kropatschek, Gesetzessammlung Leopolds II., Bd. 4, Nr. 890, dazu Oberhummer 1, 60. Benna, a.a. O., S. 173. 86) Zu Josef Grossing vgl. Österreichische N a ti o n al e n c y c 1 o p ä- die, Bd. 2 (1835), S. 427. 87) KFA Fz 150 ... Soviel ist gewiss, dass das polizeydirectorium über sein ansehen und macht in geheimen aufträgen die öffentlichen und eigentlichen geschäfte einer wohlbestelten stadt-polizey ausser acht gelassen, sich blos auf denunciationen und um sich belohnungen zu erwerben, auch auf Verleumdungen verlegte; die öffentlichen geschäfte aber der geringeren klasse ihrer Individuen überlassen hatte, welche man auch vor dem publicum als profanen zu behandeln kein bedenken trug, wodurch die öffentliche stadt-polizey nachlässig geführt, ja sogar in bezug auf die unentbehrlichen bedürfnisse gänzlich verabsäumt worden ist.