Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

BENNA, Anna Hedwig: Organisierung und Personalstand der Polizeihofstelle (1793–1848)

Organisierung und Personalstand der Polizeihofstelle 211 Der neue Kaiser besaß in seinem Stammland Toskana einen ausge­zeichnet funktionierenden Polizeiapparat74); diese Tatsache wurde schon zu Josefs II. Zeiten vom Staatsrat rühmend anerkannt75). Das von der liberalen Geschichtsschreibung gezeichnete Bild des „liberalgesinnten“ Leo­pold II. 76) wurde durch neueste Forschungen 77) dahin richtiggestellt, daß Leopold sehr wohl die Bedrohung seiner Monarchie durch die revolutionä­ren Ideen erkannte und diese bekämpfte, jedoch in der Wahl seiner Mittel andere Wege beschritt als sein Vorgänger. Die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit des Staatsapparates bezüglich aller Lebensregungen der Un­tertanen wurde nicht vermindert, im Gegenteil, sie wurde noch verstärkt, es wurde nur peinlich darauf geachtet, daß die Beobachtungen unbemerkt gesammelt werden kannten. Die Kritik der Ratgeber Leopolds II. richtete sich naturgemäß gegen die Verbindung der öffentlichen mit der geheimen Polizei, wie sie in der vorangegangenen Aera in den Personen der Poli­zeidirektoren, des Polizeioberdirektors und des Chefs der Polizei, Pergen selbst, bestanden hatte78). Es war kennzeichnend für Leopold II., daß er sich von Leuten wie dem Major Stieber und dem Wartenbergischen Hof­rat Rühle79) Informationen über das Funktionieren der Polizei geben ließ. Die zahlreichen Promemorien Stiebers an den Kaiser strotzen von persönlichen Angriffen gegen Pergen und Beer, denen Unfähigkeit und Untätigkeit vorgeworfen wurde80). Stieber setzte sich vor allem für die Entfernung Pergens und die Zerschlagung seines Polizeisystems ein. Per­gen wäre, wie Stieber wiederholt ausführte, durch den n.-ö. Vizestatthalter Weber zu ersetzen und Beer an eine andere Hofstelle zu versetzen81). 74) Dazu A. v. R e u m o n t, Geschichte Toskanas seit dem Ende des floren- tinischen Freistaates 2 (1877), 108 f. Fournier, Geheimpolizei auf dem Wiener Kongreß, S. 4, An. 2. Langsam, a. a. O., S. 98, 185, An. 220. 75) ST R 4120/1782. B e n n a, a. a. 0., S. 121. 7e) Bibi, Wiener Polizei 1, 261—63, Der Zerfall Österreichs 1 (1922), 56. 77) Langsam, a. a. O., S. 98. re) Vgl. unten S. 15. 79) KFA Fz. 10 b, die einzelnen Promemorien sind undatiert. 80) ebenda, Fol. 7: Stieber che si da per un maggiore riformato é un uomo di talento di attivitä e capacitá, ma imbroglione, fa il sensale di scrocchi, e da un soggetto molto pericoloso. Rühle é il suo grand amico, é stato il servi- zio di molti principi dell’impero, conosse gli affari di quelli, é di talento, ma per la sua cattiva condotta, e bindolerie é stato altre volte castigato e in prigione. 81) KFA, Fz. 10 b, fol. 113. Graf Pergen ist halb blindt, törrisch, unthätig ... . Der graff Pergen muss gar keine einfluss mehr haben, will man ihme doch beybehalten, wird unthättig schaden auszuüben. Anstatt des einflusses von graff Pergen könnte der Stadt oder vicestadthalter communicative mit dem polizeyoberdirector die nöthige einverständtnüs pflegen, zu welcher charge der stadt oder vicestadthalterey in der ganzen monarchic euer k. k. majestät keinen dichtigeren oder würdigen mann finden können als den bekanten baron v. Weber, der durch 35 fahre immer mit rühm und allen vorziegen als allgemeiner Zu­friedenheit meistentheils präsidiert .......Der Beer wäre als hoffrath zu einer h ofstelle zu versetzen .... 14*

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