Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)
BENNA, Anna Hedwig: Organisierung und Personalstand der Polizeihofstelle (1793–1848)
210 Anna Hedwig Benna sicherte Pergen noch an seinem Todestag, er werde ihm die Fortführung der Polizeigeschäfte weiterhin anvertrauen, bis sein Nachfolger anders darüber bestimmen werde66). Josefs II. Tod war ein Sterben in Trauer, der Kaiser erlebte am Ende seines Lebens das Scheitern seiner Regierungsmaßnahmen67). Es entbehrt nicht der Tragik, daß ihm sein Polizeiminister berichten mußte, die von ihm verfochtenen Grundsätze, alle Untertanen gleich behandeln zu wollen, die der von naturrechtlichen Ideen erfüllte junge Kaiser in einer Denkschrift 1765 als Ziel seiner Regierung betrachtete68), erregten den Unwillen der Öffentlichkeit und wären eine Ursache der Gährung innerhalb der Monarchie69). Die kurze Regierungszeit seines Nachfolgers Leopold konnte sich nur darauf beschränken, die der Monarchie drohenden, inneren und äußeren Gefahren durch entsprechende Maßnahmen unschädlich zu machen. Der Behördenapparat und vor allem die Zentralstellen erfuhren eine durchgreifende Umgestaltung70). Die von Josef II. eingeführte, gleiche Behandlung der Länder hörte auf, Ungarn befreite sich von den ihm von Josef II. auferlegten Fesseln. Ungarn verlangte vor allem das Aufhören der Polizeiaufsicht, die so ziemlich die unpopulärste Maßnahme des verstorbenen Herrschers in den Ländern jenseits der Leitha darstellte71). Gab der Kaiser diesem Verlangen nach, so war das klaglose Funktionieren der Polizei in Frage gestellt. Das Verhältnis des neuen Kaisers zu Pergen war bedeutend kühler als das Josefs II. zu seinem Polizeiminister, es entbehrte einer gewissen persönlichen Vertraulichkeit. Dazu kamen noch die Gegner Pergens aus der Hofkanzlei, die nun die Zeit gekommen sahen, ihre Einflußsphäre auch auf die polizeilichen und vor allem die geheimen Angelegenheiten auszudehnen. Wohl beließ Leopold II. Pergen noch im Mai 1790 die Leitung der Polizeiangelegenheiten72), doch gewannen Pergens Gegner immer mehr die Oberhand, so daß er sich 1791 gezwungen sah, selbst um seine Enthebung einzukommen73). 6G) W a 11 e r, a. a. O., S. 51. Benn a, a. a. O., S. 117. 67) Dazu die Darstellung Walters inOEZ II/4/1, S. 63 f. 68) A. Arneth, Maria Theresia und Josef II., Bd. 3, S. 354. Benna, a. a. O., S. 117. es) Vgl. oben S. 11. 70) O E Z 11/4/1, S. 73 f. 71) Walter, a. a. O., S. 52. Benna, a. a. O., S. 121. 72) OEZ 11/4, 159, II/4/1, 93. Walter, a. a. O., S. 52. Benna, a. a. 0., S. 121. 73) Walter, a. a. O., S. 52. OEZ 11/4, S. 160, OEZ 11/4/1, S. 94. Benna, a. a. O., S. 121. W. C. Langsam, Francis the Good The Education of an Emperor (1949), S. 97.