Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

130 Ferdinand Hauptmann tätsbeschlüssen nicht möglich. Als natürliche Folge ergab sich das Warten, „Fortwursteln“ Taaffes bis zu dem Zeitpunkt, da die Völker sozial so ausgereift wären, daß sie auch den letzten Mann im entscheidenden End­kampf einsetzen könnten3). Diese ungeklärte innere Situation verlangte aber in den äußeren Ver­hältnissen Ruhe. Wie Österreich-Ungarn an keine kriegerische Politik denken konnte, da es damit im Falle von Annexionen den Völkerstreit im Innern durch Zuführung neuer slavischer Elemente nur verstärkt hätte, so mußte es auch bedacht sein, bis zur Ausreifung der nationalen Frage im Innern, seinen eigenen Slaven keinen neuen Anziehungspunkt im Aus­lande entstehen zu lassen. So konnte Österreich dem kleinen Serbien im allgemeinen keinen Erfolg in der Richtung der Pläne des Fürsten Mihajlo gewähren, und ebensowenig aus Serbien einen großen slavischen Staat entstehen lassen (Reichstadt und die österreichisch-russischen Konventionen vom 15. I. 1877). Aber selbst ein Entgegenkommen durch Unterstützung der südslavischen Pläne des Bischofs Strossmayer erwies sich damals als unmöglich. Dieser dachte aus Kroatien den geistigen Mittelpunkt der Südslaven zu machen und durch die Zuführung sämtlicher Slaven zum Katholizismus, beziehungs­weise wenigstens zur griechischen Union, den kroatisch-serbischen Gegen­satz zu überbrücken. Die Förderung dieser großen Idee war aber in An­betracht der Ungarn unmöglich, weil diese eine neue Zuteilung slavischer Länder an ihre Reichshälfte nicht annehmen konnten, da eine solche ihr künstliches Übergewicht noch mehr gefährdet hätte, andererseits aber ein verstärkter südslavischer Faktor zum Trialismus drängte. So konnte Österreich-Ungarn den Serben nicht einmal durch Förderung einer austro- jugoslavischen Idee entgegenkommen. Ebensowenig konnte Serbien Aussicht auf Erwerbungen im Westen — Bosnien und die Hercegovina — hoffen. Denn wirtschaftlich bedeuteten die beiden Provinzen das Hinterland für Dalmatien, politisch aber —- in serbischer Hand — den Stoß in das Herz der südslavischen Provinzen der Monarchie4). Doch konnte Österreich den Serben nicht wenigstens die Ausdehnung in das Vardartal bieten? Hier konnte Österreich gewiß mit sich eher handeln lassen, aber auch da nicht unbeschränkt. Denn Österreich und die Türkei waren zwei national ■ gemischte Staaten. Forcierte nun das Erste die Ausbreitung Serbiens auf Kosten der türkischen Gebiete, so begab es sich im gleichen Augenblick eines ungefährlichen Nachbarstaates. Denn die Türkei, die keine Expansion mehr betreiben konnte, war unzweifelhaft ein bequemerer Nachbar als ein begehrlicher Nationalstaat, zumal wenn hinter diesem Rußland stünde. Ein „Vorverlegen“ der russischen Einflußsphäre war deshalb hintan­zuhalten *). Getragen von diesen Erwägungen trat Andrássy Ende 1876 bei den Verhandlungen mit Rußland für die Errichtung einer neutralen Zone

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