Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

BENNA, Anna Hedwig: Preces Primariae und Reichshofkanzlei (1559–1806)

Preces Primariae und Reichshofkanzlei 89 sten in den Besitz von stallus in choro und votum in capitulo und den mit dem Amt verbundenen Einkünften zu bringen11). Die Ausbildung des Ius primariarum precum fiel in eine Epoche der Umbildung des kirchlichen Vermögensrechtes. Die Auflösung der vita com­munis hatte zu einer Auflösung der einheitlichen kirchlichen Vermögens­massen geführt, Bischofs- und Kapitelgut standen einander gegenüber, für die Inhaber kirchlicher Ämter entstanden eine Reihe zahlenmäßig fest­gelegter Pfründen. Die nutzbare Seite des Amtes trat stark hervor, ob dieses nun mit Seelsorge oder Chor- und Altardienst verbunden war. Die Pfründen wurden abgetreten, getauscht und kumuliert. Die Besetzung der Ämter und Pfründen erfolgte gemeinsam durch Bischof und Kapitel. Bei Patronaten an niederen Kirchen präsentierte der Patron dem Kollator die ihm genehme Person. Das Papsttum hatte die Freiheit der Bischofswahlen gerettet, das Kaisertum nahm mittels der Wahlkommissäre einen verhält­nismäßig geringen Einfluß auf die Besetzung der Reichsbistümer12), da ein kaiserliches Recht der Exklusive unliebsamer Kandidaten nur hin­sichtlich der Papstwahl nicht aber der Bischofswahlen bestand. Die Kurie schaltete sich mit Hilfe von Provisionen, Reservationen und Expektanzen in die Besetzung der niederen Kirchenämter ein, die Päpste stellten Emp­fehlungen an die Kollatoren von Dom-, Stifts- und Pfarrpfründen aus, sie vergaben Anwartschaften auf inoch nicht vakant gewordene Pfründen. Die spätmittelalterlichen Konkordate sicherten vielfach den Fürsten ein Nomi­nationsrecht. Konkurrierend mit dem päpstlichen Besetzungsrecht trat das Erstbittrecht voll ausgebildet Ende des 13. Jahrhunderts auf13). Einmalig nach ihrem Regierungsantritt erbaten die römischen Könige und Kaiser von den zuständigen Kollatoren die Besetzung einer Pfründe mit einer von ihnen genannten geeigneten Person14). Es war dies eine freiwillige Lei­stung, auf welche die Kaiser und Könige kraft Wahl und Krönung An­spruch hatten. Die Forderung erfolgte wie Steuerforderungen in den mit­telalterlichen Formen einer Bitte15). Die Primariae Preces dürften somit den Krönungsservitien nahestehen. Die Bittbriefe ergingen, wie die be­kannt gewordenen Urkunden zeigen nicht immer in engem Anschluß an den Regierungsantritt, besonders in den neueren Jahrhunderten wurden 11) Heinrich Radermacher (PP. 16). 12) Dazu Hans Erich Feine, Die Besetzung der Reichsbistümer (1648 bis 1806), 1921. 13) Zu den Vorstufen des Bittrechts, vgl. S r b i k, ZRG KA 4, S. 486 f., B a u e r, a. a. O., S. 25 f., 49, 50. Feine, ZRG. KA 20, 5, Anm. 3. 14) Preces post coronationem, primae preces regiminis, primitias precum, dazu H. Bai er, Aus Konstanzer Domkapitelsprotokollen, 1487—1524, Zs. G. Oberrhein 66 (1912), S. 223, B a u e r, a. a. 0., S. 15, 16. 15) Zum mittelalterlichen Steuerbegriff, vgl. Georg Below, Die älteste deutsche Steuer, 2. Aufl. 1925, Adolf Waas, Vogtei und Bede 2 (1923), S. 75 f. Otto Brunner, Land und Herrschaft, 3. Aufl. 1944, S. 312 f., 314.

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