Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

AUER, Erwin M.: Kulturgeschichtliche Ordensforschung

310 Erwin M. Auer Aufschlüsse gewähren, die oftmals durch gezeichnete Pläne illustriert werden. Eine genaue Untersuchung der Verleihungsbedingungen und der tatsächlichen Verleihungsgründe wird die noch kaum erforschte s o- zialpolitische Funktion der Orden im jeweiligen Landesbereich aufhellen. Verleihungen an bestimmte Dienstklassen der Staatsdiener, um deren kärgliche Besoldung zu verbessern oder Beförderungen zu ersparen; Belohnung von Straßen- und Brückenbauten Privater durch Orden, um das Staatsbudget für diese Zwecke zu entlasten; Fälle des Ordenskaufes, um gesellschaftsfähig zu werden; Auszeichnungen, die Adelserhebungen nach sich ziehen — diese Beispielsreihe, die beliebig erweitert werden könnte, macht bereits deutlich, daß die sozialpolitische Funktion eines Ordens nicht immer mit dem Stiftungszweck übereinstimmend bleibt, son­dern sich den Zeitumständen angepaßt wandelt. Die Erforschung dieser Funktion24) ist kulturgeschichtlich so wichtig, daß der hiefür durch die unerläßlichen Einzelforschungen erforderliche beträchtliche Zeitaufwand gerechtfertigt erscheint. Ein Hinweis auf die Ordenstaxen25 *) führt einerseits zur Unter­suchung der Frage, inwieweit und mit welchen Summen die Ordensein­richtungen den Staats- oder Hofeinnahmen dienstbar gemacht wurden, andererseits zur Prüfung aller Fragen, die mit dem wechselnden Ordens­vermögen und der Finanzierung der laufenden Ordensausgaben Zusammen­hängen. Viel zu wenig ist auch über die interne Geschäftsführung der Ordenskanzleien, über die Stellung und Einflußmöglichkeiten der Ordensbeamten, bzw. der Ordeinsoffiziere, über deren Ordenskleider und Ordenszeichen bekannt. Wenn Heyden 28) noch zwischen Haus-Orden einerseits und Verdienst- Orden andererseits unterschied und dazu als dritte Gruppe die Ehrenzeichen rechnete, so charakterisiert diese Einteilung den Stand der Systematik in der Ordensforschung um die Jahrhundertwende. Seither wurde die Klärung der Typen innerhalb des ordensmäßigen Auszeichnungswesens nicht mehr vorgetrieben, obwohl die drei genannten Typenbegriffe keineswegs eindeutig waren und sind. So bezeichneten etwa österreichische Herrscher in staatsrechtlich wichtigen Urkunden den militärischen Maria Theresien- Orden und den Civil-Verdienstorden vom heiligen apostolischen Könige Stephan, also zwei Verdienstorden, neben dem Toison-Orden als Haus­ordenszeichen 27), da für den Herrscher und seine Staatskanzlei der Begriff 24) Versuche in dieser Richtung finden sich verschiedentlich in dem Werk W. Schultz e, System des Entwicklungs-Stadiums der Ritter- und Verdienst- Orden seit der Evolution des monarchischen Prinzips. Berlin 1899. 25) Vgl. Auer, Ordensgarderobe, a. a. O., S. 18 ff. 28) H. v. Heyden, Ehrenzeichen (Kriegs-Denkzeichen, Verdienst- und Dienstalters-Zeichen) der erloschenen und blühenden Staaten Deutschlands und Österreich-Ungarns. Meiningen 1897, S. V f. 27) Z. B.: Neue Titulatur und Wapen Seiner Römisch- und Österreichisch­Kaiserlich- auch Königlich-Apostolischen Majestät nach den durch den Luneviller Friedensschluß herbey geführten Veränderungen und der Allerhöchsten Pragma- tikal-Verordnung vom eilften August 1804. Wien 1804, fol. F. — Ähnlich in der Anlage zur gleichartigen Pragmatikai-Verordnung vom 6. August 1806, Wien 1806, fol. C/2.

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